Rolf Hiltl: «Die Hardcore-Veganer sagen, ich sei ein Verräter»
Rolf Hiltl ist seit über 20 Jahren an der Spitze des Zürcher Vegi-Restaurants Hiltl. In einem Interview spricht er über den Imagewandel des Vegetariers.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit 125 Jahren gilt das Hiltl in Zürich als das älteste vegetarische Restaurant der Welt.
- Rolf Hiltl führt den Betrieb in der vierten Generation.
- In einem Interview spricht der 58-Jährige über den Image-Wandel des Vegetariers.
Vor 125 Jahren öffnete das Hiltl in Zürich erstmals seine Tore – und gilt heute als ältestes vegetarisches Restaurant der Welt. Über vier Generationen blieb das Restaurant im Besitz derselben Familie.
Sie erlebte den Image-Wandel der vegetarischen Ernährung hautnah mit, wie Rolf Hiltl in einem Interview mit der «NZZ» erzählt. Er führt den Betrieb seit über 20 Jahren in vierter Generation.
Begonnen hat die Geschichte mit Ambrosius Hiltl, der mit 15 oder 16 Jahren aus Oberpfalz in Deutschland nach St.Gallen kam. Als er mit 20 Jahren an Gicht erkrankte, empfahl ihm ein befreundeter Arzt, die Ernährung umzustellen.
Von da an speiste er für drei Monate täglich im «Vegetarierheim und Abstinenzcafé». Seine schnelle Genesung machte ihn daraufhin zum überzeugten Vegetarier und er übernahm das «Vegetarierheim» kurzum.
Von «Grasfresser» zu Planetary Health Diet
Das Restaurant hatte allerdings alles andere als einen guten Start: Im Volksmund wurde es «Wurzelbunker» genannt, die Gäste «Grasfresser». Dies begann sich zwar langsam mit dem Besuch namhafter Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wissenschaft zu ändern.
Allerdings blieb sein Restaurant lange Zeit das einzige mit einem reinen Vegi-Menü. «Von den 1970er bis in die 2000 Jahre platzte unser Laden permanent aus allen Nähten», sagt Hiltl gegenüber der Zeitung. «Doch niemand anderes wollte sonst ein vegetarisches Restaurant eröffnen – weil es eben alle belächelt haben.»
In der Zwischenzeit hätten sich die Gründe für das vegetarische Essen gewandelt. «Vom Gesundheitsaspekt meines Urgrossvaters zu Planetary Health Diet – einer Ernährung, die gleichzeitig gesund für den Menschen und den Planeten ist», so Hiltl weiter. «Heute sind es Junge, die aus einer Selbstverständlichkeit heraus vegan oder vegetarisch essen.»
«Türöffner für fleischlose Ernährung»
Und er selbst? «Ich esse zwischendurch Fleisch, aber wirklich nicht viel», sagt der 58-Jährige. «Die Hardcore-Veganer sagen, ich sei ein Verräter. Das kann ich nachvollziehen, wenn man vegan lebt. Dennoch bin ich kein Fan dieser Ismen wie ‹Veganismus›. Ich spreche deshalb von vegetarischer oder pflanzlicher Ernährung.»
Es brauche «radikale» Menschen, dennoch glaube er, dass gewisse Aktionen nicht der Sache dienen. «Für die Mehrheit der Bevölkerung sind extreme Sachen eher abschreckend.» Er verstehe sich eher als «Türöffner für die fleischlose Ernährung». Das Hiltl sei deshalb nie missionarisch und werde es auch nie sein.
Angst vor der wachsenden Konkurrenz habe er keine. Aber: «Es fordert uns heraus», gibt Hiltl zu. «Es wird auch bei uns in den nächsten fünf Jahren gerade im Haupthaus wieder etwas verändern.» Was genau, will er aber noch nicht verraten.