SBB-Kunden müssen drei Wochen auf Tickets warten
Ende 2023 hat die SBB ein neues Verkaufssystem eingeführt. Dieses erschwert das Buchen von Gruppenreisen ins Ausland. Es gibt teils lange Bearbeitungsfristen.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer über die SBB eine Zug-Gruppenreise ins Ausland buchen möchte, sollte früh planen.
- Für solche Reiseanfragen betragen die Bearbeitungsfristen mindestens 15 Arbeitstage.
- Tickets gleich am Schalter erhalten wie bisher, ist seit Ende 2023 nicht mehr möglich.
Seit einigen Jahren organisiert Nau.ch-Leser Sandro M.* jährlich für seinen Freundeskreis eine Zugreise ins nahe Ausland. Auch 2024 will er für Mitte April eine Reise organisieren.
Doch heuer gestaltet sich die Organisation deutlich mühsamer: «Bisher konnte ich jeweils an einen Schalter der SBB gehen», erklärt er. «Dort konnte ich dann innert 20 Minuten die Reise buchen und erhielt auch gleich alle Tickets.»
Doch dieses Jahr funktioniere das nicht mehr: «Als ich in Thun BE am Schalter war, hiess es, dass ich dazu ein Onlineformular ausfüllen muss. Ich könne die Reise nicht am Schalter buchen.»
SBB: Mindestens 15 Arbeitstage Bearbeitungsfrist
Sandro ist überzeugt, dass das nicht stimmen kann, und versucht es Tage später an einem Schalter der SBB in Bern. Doch auch hier erhält er die gleiche Anweisung: «Die SBB-Verkaufsberater haben mir gesagt, dass sie nur 5er-Gruppen direkt buchen können. Bei mehreren 5er-Gruppen könne aber nicht garantiert werden, dass diese benachbarte Plätze hätten. Und für mehr als fünf Personen müsse man das Formular auf der SBB-Website ausfüllen.»
Als er das dann online erledigen will, staunt er nicht schlecht: «Dort stand, dass man mit einer Bearbeitungsfrist von mindestens 15 Arbeitstagen rechnen muss.» Also drei Wochen! Sandro fragt sich, wieso das Buchen von Gruppenreisen ins Ausland plötzlich so viel komplizierter geworden ist.
«Per Ende 2023 hat die SBB mehrere in die Jahre gekommene Verkaufssysteme durch ein neues System abgelöst. Das neue Verkaufssystem ist nicht auf internationale Gruppen ausgerichtet», erklärt SBB-Mediensprecherin Sabrina Schellenberg auf Anfrage von Nau.ch. «Wir arbeiten deshalb seit Herbst 2023 mit einem externen Anbieter zusammen.»
Die europäischen Bahnen hätten keine einheitlichen Tarife und auch kein gemeinsames Reservierungssystem. «Dies macht den Buchungsprozess für unsere Partnerfirma aufwendig und zeitintensiv», sagt Schellenberg. Wer das Formular nicht selbst online ausfüllen möchte oder könne, erhalte am Schalter Unterstützung.
45 Franken Bearbeitungsgebühr wegen externem Anbieter
Doch etwas anderes schlägt Sandro auch auf den Magen: «Mich regt auf, dass im erhaltenen Angebot eine Bearbeitungsgebühr von satten 45 Franken drin war!»
Laut Schellenberg handelt es sich um eine Gebühr des externen Anbieters. «Wir wollen künftig einen Hinweis auf die Bearbeitungsgebühr von 45 Franken auf unserer Website machen. Wir bedauern, dass dies bisher nicht vermerkt ist.»
Sandro erhält Bescheid, dass das erhaltene Gruppenangebot bis am 2. April gelte. Am ersten Apriltag habe er dann per E-Mail geschrieben, dass er es akzeptieren und die Reise buchen möchte.
Und dann der Schock: «Am 3. April erhielt ich eine Mail, dass das Angebot ausgelaufen ist, so was geht gar nicht!» Daraufhin ruft er kurzerhand bei der SBB an und reserviert dann die Reise doch in zwei 5er-Gruppen und einer 3er-Gruppe.
Für alles andere ist nicht mehr genügend Zeit vorhanden. «So fiel das Ganze insgesamt 200 Franken billiger aus als im ursprünglichen Angebot», staunt Sandro.
«Es muss von einer Bearbeitungsgebühr abgesehen werden»
Gegen hohe Bearbeitungsgebühren stellt sich die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr (IGöV). Das Ticketsystem solle möglichst einfach, niederschwellig und kostengünstig sein. «Deshalb muss von einer Bearbeitungsgebühr abgesehen werden», fordert Präsidentin Florence Brenzikofer zu Nau.ch.
Denn die Leute müssten vom Individualverkehr auf den ÖV gebracht werden. «Gerade im Freizeitverkehr besteht ein grosses Potenzial.»
Brenzikofer betont, es sei wichtig, dass Tickets online, aber auch am Schalter gekauft werden können. «Die Hürden für den Kauf von Tickets und die Reservation sollen möglichst tief sein», sagt sie.
Als Sekundarlehrerin mache sie immer wieder die Erfahrung, dass die Bearbeitungszeit ihrer Anfragen für Klassentickets kürzer sei als angegeben. Und der Service sei gut. «Die Bearbeitungszeit soll sieben Tage nicht übersteigen, damit auch spontane Gruppenreisen gebucht werden können», hält sie aber fest.
Konsumentenschutz kritisiert SBB
Der Konsumentenschutz erklärt, dass er erst auf Anfrage von Nau.ch von diesen Änderungen erfahren habe. «Für den Konsumentenschutz ist klar, dass diese Änderungen Gruppenreisen mit dem Zug weniger attraktiv werden lässt», erklärt Marius Wiher.
Es sei «völlig unverständlich», dass man in Zeiten digitaler Tickets bei Gruppenreisen derart lange auf eine Antwort der SBB warten müsse. «Gerade weil internationale Bahnreisen sich in Konkurrenz zu Bus oder Flugzeug befinden, darf es nicht 25 Tage (minimale Bearbeitungszeit für Deutschland-Reisen, Anm. d. Red.) dauern, bis man eine Offerte erhält.»
Es sehe so aus, als wolle die SSB ihre Bahnreisenden mit schlechtem Service und hohen Gebühren «aktiv vergraulen». «Der Konsumentenschutz verlangt, dass die Bearbeitungsgebühr im Sinne der Tarifveröffentlichungspflicht sofort klar und verständlich deklariert wird. Darüber hinaus ist die Bearbeitungsgebühr ungewöhnlich hoch und darum für die Konsumentinnen und Konsumenten kaum nachvollziehbar», sagt Wiher.
Auch Christoph Wydler, Vizepräsident der IGöV, findet solche Entwicklungen «unschön». Er frage sich aber, ob diesbezüglich wirklich die SBB schuld sei.
«Ich wollte für die Reise der Klima-Seniorinnen zum EGMR für Basel-Strassburg ein Gruppenticket buchen. Das war nicht möglich, weil die Buchungsfrist für Kollektivbillette bei der SNCF (französische Bahn, Anm. d. Red.) drei Wochen beträgt», erzählt Wydler.
Nau.ch hat deswegen bei der Deutschen Bahn (DB) nachgefragt. Denn für Reisen nach oder durch Deutschland muss man laut SBB-Angaben sogar mit einer Bearbeitungszeit von mindestens 25 Tagen rechnen.
Bei der Deutschen Bahn gibt's Tickets sofort
Dem widerspricht eine Sprecherin der Deutschen Bahn auf Anfrage jedoch. Gruppenbuchungen innerhalb von Deutschland und ins Ausland könnten innerhalb des aktuellen Fahrplans und Reservierungszeitraums ohne Wartezeit getätigt werden. Und die Gruppentickets könnten auch sofort mitgenommen werden, sofern die Buchung in einem DB-Reisezentrum oder einer DB-Agentur getätigt wurde.
«Gruppenbuchungen, die über unsere Servicenummer getätigt werden, werden in der Regel sofort versendet, nachdem Fahrkarte und Reservierung gebucht sind.»