Schweizer Ärzte arbeiten zu viel - Patienten in Gefahr

Antun Boskovic
Antun Boskovic

Zürich,

Eine Umfrage mit rund einem Drittel der Schweizer Assistenzärzte zeigt, dass die Spitäler mutmasslich gegen das Arbeitsgesetz verstossen.

Ärzte Spital
Ärzte und Pflegende auf der Intensivstation des Stadtspitals Zürich. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut Arbeitsgesetz darf man nur in Ausnahmefällen über 50 Stunden pro Woche arbeiten.
  • Gemäss einer Umfrage arbeiten viele Assistenzärzte aber mehr als 11 Stunden pro Tag.
  • Oft wird die zulässige Arbeitszeit schon in der Dienstplanung überschritten.

Immer mehr Ärzte kehren in der Schweiz dem Gesundheitswesen den Rücken. Das dürfte für die Spitäler zu einem grossen Problem werden.

Eine Umfrage der «NZZ» mit 4500 Assistenzärzten aus der Deutschschweiz zeigt nun die Beweggründe auf. Das sind rund ein Drittel aller Assistenzärzte in der Schweiz.

Von den Befragten gaben dabei knapp 40 Prozent an, dass sie durchschnittlich über 11 Stunden pro Tag arbeiten. Doch laut dem Arbeitsgesetz dürfen auch Ärzte nur in Ausnahmefällen über 50 Stunden pro Woche arbeiten.

Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass die maximal zulässige Arbeitszeit bereits in der Dienstplanung überschritten werde. Das liege vor allem an der hohen Arbeitslast und der Bürokratie.

Mangelhafte Digitalisierung erschwert Arbeit

Die mangelhafte Digitalisierung im Gesundheitswesen erschwere die Arbeitsabläufe. Alte Computersysteme etwa machen vielen befragten Assistenzärzten zu schaffen. Zudem verfügt die Schweiz nicht über funktionierende Patientendossiers, zu denen alle Ärzte Zugang haben.

Das führt etwa dazu, dass Assistenzärzte bei neuen Patienten deren Patientenberichte nochmals selbst abtippen müssen. Und dies oftmals im Anschluss an die offizielle Arbeitszeit – in nicht wenigen Fällen gratis.

Denn jeder fünfte Befragte habe schon erlebt, dass Vorgesetzte Druck ausüben, die Überzeit nicht richtig zu erfassen. Dagegen wehren sich die wenigsten – aus Angst, ihre Karriere zu ruinieren.

Zu kurze Pausen

Hinzu kommt, dass die Assistenzärzte trotz der langen Arbeitstage kaum vorschriftsmässig Pausen machen können. Ab neun Stunden Arbeitszeit sollte die Mittagspause eine ganze Stunde betragen. Drei Viertel gaben in der Umfrage aber an, weniger als eine halbe Stunde Mittagspause machen zu können. Nur 27 der 4570 Befragten könne regelmässig eine Stunde oder länger Mittagspause machen.

Verrechnet werde aber in einigen Fällen dennoch eine Stunde Pause. Auch komme es vor, dass Überstunden gestrichen und Krankheitstage als Minusstunden verbucht werden. Das alles würde sich auf die Sicherheit der Patienten auswirken.

Assistenzärzte Spital Arbeitszeiten
Viele Assistenzärzte können nicht mal vorschriftsmässig Pausen machen. (Symbolbild) - Keystone

Brisant: 75 Prozent der Befragten glauben, ihre Arbeit wegen des Zeitdrucks nicht richtig ausführen zu können. Vier Fünftel gaben an, bereits Fehler gemacht zu haben, weil sie übermüdet oder überarbeitet gewesen seien.

«Das System ist extrem fehleranfällig»

Dabei können Fehler im schlimmsten Fall tödlich enden. «Das System ist extrem fehleranfällig. Die Frage ist nicht, ob Fehler passieren, sondern wie schlimm sie sind», sagt eine Assistenzärztin.

Befürchten Sie, dass es in der Schweiz bald an Ärzten mangelt?

Über die Hälfte der Befragten fühle sich gestresst oder habe Angst, ein Burnout zu erleiden. Fünf Prozent gaben an, schon einmal ein Burnout erlitten zu haben. Ein weiterer Kritikpunkt: Ein Grossteil der Befragten erhalte die ihnen zustehende strukturierte Weiterbildung nicht oder könne sie nicht besuchen.

Der Schweizer Spitalverband H+ wehrt sich gegen die Kritik, dass Spitäler systematisch Höchstarbeitszeiten missachten und ihrem Ausbildungsauftrag nicht nachkommen würden. Eine Blitzumfrage von H+ widerspreche diesen Darstellungen. Dass die Spitäler das Arbeitsgesetz einhalten, würden auch die Kontrollen der Arbeitsinspektoren zeigen.

Kommentare

User #1640 (nicht angemeldet)

Problem ist, dass Hausärzte und auch Spezialisten (meiner Erfahrung nach) in der Regel gar nicht / zu wenig auf die individuelle Symptomatik der Patienten eingehen. Dafür würden sie noch mehr Zeit für Selbststudium und Recherche brauchen, die sie nicht haben oder sich systembedingt gar nicht nehmen können. Beispiel: drei bis vier Blutwerte in meinem Blutbild sind - seit > 20 Jahren regelmässig grenzwertig oder klar zu tief / zu hoch. Noch nie hat ein Arzt darüber nur ein Wort verloren, alle bluffen immer und sagen: alles ist in Ordnung, das Blutbild ist normal. Dies ist definitiv gelogen bzw. geblufft und ich bin gezwungen, im Internet selber zu googeln, um mögliche Zusammen-hänge und Ursachen herauszulesen. Mit diversen hochdosierten Nahrungsergänzungen aus einer zuverlässigen Quelle im Internet brachte ich zu tiefe Werte zeitweise wieder hoch. Unglaublich, dass bestimmte Ärzte mich dazu noch belehren wollen und warnen, nicht zu viele Mikronährstoffe zu nehmen. Obwohl sie Null Wissen darüber haben. Als Naturwissenschafterin verschlägt es mir deshalb manchmal schon die Sprache. Selten treffe ich auf Ärzte, die zugeben, die Ursache auch nicht zu kennen und rechne ihnen diese Ehrlichkeit hoch an. Es lohnt sich für die Ärzte finanziell auch nicht, darüber nachzuforschen. Gerade die wenig erfahrenen Assistenzärzte haben doch keinen höheren Lohn verdient, sondern humanere Arbeitszeiten. Sodass keine Menschenleben riskiert werden.

User #3591 (nicht angemeldet)

Das ist in Deutschland nicht bekannt dass mann in der Schweiz viel arbeiten muss. Vom Regen in die Taufe

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