Schweizer Diplomatin: «Mit Kriegsverbrechern muss man verhandeln»
Das Wichtigste in Kürze
- Heidi Tagliavini spricht in einem Interview über Verhandlungen mit Kriegsverbrechern.
- Der Schweizer Diplomatin zufolge müsse man sich mit ihnen an den Verhandlungstisch setzen.
Seit Montag bombardiert Russland im grossen Stil ukrainische Grossstädte. Sowohl die G7-Staaten als auch die UN verurteilten die Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur als Kriegsverbrechen.
Russlands Aussenminister Sergei Lawrow hat am Dienstag im russischen Staats-TV über ein angebliches Gesprächsangebot der US-Regierung gesprochen. Sein Land sei zu Verhandlungen mit den USA zum Ukraine-Krieg bereit. Doch soll man sich mit Kriegsverbrechern an den Verhandlungstisch setzen?
Verhandlungen im Ukraine-Krieg nötig
«Man muss!», sagt Heidi Tagliavini im Interview mit dem «Tagesanzeiger». Die Schweizer Krisendiplomatin war jahrelang in Konfliktgebieten wie Tschetschenien, Georgien und der Ukraine tätig. Sie sagt: Man müsse mit Machthabern verhandeln, «unabhängig davon, ob sie einem sympathisch sind.»
Und weiter: «Ich bin in meinen 20 Jahren in Konfliktgebieten mehrfach mit Leuten am Verhandlungstisch gesessen, die Blut an den Händen hatten.» Diese Verhandlungspartner hätten vordergründig keine Moral, oder wollten diese mindestens nicht zeigen.
Glauben Sie, dass der Krieg durch Verhandlungen beendet werden kann?
«Dennoch konnte man im Verlauf der Verhandlungen an ihr Gewissen appellieren», so Tagliavini. «Nicht sofort, aber im geeigneten Moment – und dann hat man immerhin einen Fuss in der Tür.»
Diplomatin: «Geht darum, ins Gespräch zu kommen»
Auch den russischen Präsidenten hat sie mehrfach getroffen. Sie habe ihn immer als «sehr kontrolliert» erlebt, er könne sein Gegenüber sehr gut einschätzen. «Mit Wladimir Putin habe ich zwar nie persönlich verhandelt, aber diskutiert. Mit der Haltung ‹Putin ist böse› in eine Diskussion einzusteigen, wäre sinnlos.»
Sie hätte sich immer bemüht, die Verhandlungen mit einer positiven Haltung zu beginnen. «Es geht ja darum, miteinander überhaupt ins Gespräch zu kommen», erklärt die 72-Jährige.