Schweizer lassen sich von Protesten nicht den Urlaub vermiesen
Explodierende Mieten und betrunkene Besucher: Viele Bewohner europäischer Touristenhochburgen haben genug vom Ansturm der Sommergäste. Vielerorts kam es zu Demonstrationen gegen den Massentourismus. Schweizerinnen und Schweizer zieht es diesen Sommer trotzdem wieder an die üblichen Hotspots am Mittelmeer.
Vom Geheimtipp zum Touri-Hotspot
Mehr und mehr Orte, die noch vor wenigen Jahren als Geheimtipp galten, werden zu Brennpunkten des Massentourismus. Und die Bevölkerung in den klassischen Destinationen leidet sowieso schon lange unter den negativen Nebenwirkungen der Besucherströme.
Daher kam es in diesem Frühjahr etwa auf Mallorca zu Protesten. Hinter einem Transparent mit der Aufschrift «Mallorca ist unverkäuflich» zogen Demonstranten im Mai durch das Zentrum der Inselhauptstadt Palma. Die Lagunenstadt Venedig wiederum führte ein Tagesticket für Touristen ein, um den Ansturm wenigstens etwas zu bremsen.
Pauschalreisende setzen weiter auf Touristenhochburgen
Doch all das scheint wenig zu bewirken – zumindest wenn man den Schweizer Reiseveranstaltern Glauben schenkt. Bei den klassischen Pauschalreiseveranstaltern buchen die Gäste Ferien in Touristenhochburgen wie eh und je. Man spüre keine Auswirkungen auf das Buchungsverhalten der Kunden, heisst es beispielsweise bei Tui Schweiz. Mallorca etwa erfreue sich wie in den vergangenen Jahren «grosser Beliebtheit», sagte eine Sprecherin.
Ähnlich klingt es bei Kuoni. Mallorca gehöre konstant zu den beliebtesten Destinationen der Schweizerinnen und Schweizer. Diese suchten aber typischerweise eher selten die stark frequentierten Zentren auf, sondern bevorzugten zum Beispiel den Wandertourismus im Landesinnern oder Badeferienorte abseits der einschlägigen Orte wie Magaluf oder El Arenal, auch bekannt als Ballermann.
Massnahmen halten Touristen nicht ab
Grundsätzlich begrüsst man bei Kuoni daher, dass Mallorca seit einiger Zeit verschiedene Anstrengungen unternimmt, um den Tourismus qualitativ zu verbessern. So hat die lokale Regierung in diesem Frühjahr konkret die Zügel gegen den Sauftourismus deutlich angezogen.
In mehreren Partyhochburgen wurde der Alkoholkonsum am Strand oder gar auf offener Strasse verboten. Wer dagegen verstösst, muss mit Bussen bis zu 1500 Euro rechnen.
Doch stoppte all das den Touristenansturm bisher keineswegs. Und Experten überrascht das nicht. «Die Menschen wollen reisen, und die Zahl der Reisenden nimmt weltweit zu», sagt etwa Tourismusexpertin Beatrix Morath von der Unternehmensberatung AlixPartners.
Daher seien ausgewogene Massnahmen erforderlich, um den Herausforderungen zu begegnen, mit denen die lokale Bevölkerung an Partyhochburgen konfrontiert sei. Gleichzeitig müsse nachhaltiges Reisen aber weiterhin möglich sein.
Wirtschaftsfaktor Tourismus
Gerade für ein Land wie Spanien gehe es auch gar nicht ohne den Tourismus, auch wenn er ein zweischneidiges Schwert sei. «Er bedeutet wirtschaftliches Wachstum, infrastrukturelle Verbesserungen und zusätzliche Arbeitsplätze», so Morath.
Ein Blick in die Statistik bestätigt diese Einschätzung. Im Jahr 2023 kamen 85 Millionen ausländische Besucher nach Spanien. Von diesen 85 Millionen kamen 14,4 Millionen auf die Balearen, die Region mit der zweithöchsten Touristenzahl in Spanien.
Insgesamt hat der Tourismus damit einen Anteil von 13 Prozent am spanischen Bruttoinlandprodukt. In den touristischen Hochburgen wie den Balearen oder den Kanaren ist es sogar jeweils rund ein Drittel.
Nachhaltigkeit statt Overtourism?
Ohne Tourismus geht es also wirtschaftlich nicht – trotz der Proteste. «Wir verstehen die Demonstrationen in den Ferienregionen auch nicht als pauschale Aufforderung an die Gäste, nicht mehr dorthin zu reisen», heisst es bei Kuoni.
Den Bewohnern gehe es um die konkrete Ausgestaltung des Tourismus vor Ort. Und dass dieser etwas mehr im Einklang mit der lokalen Bevölkerung stattfinden soll, sei ein Anliegen, das man bei Kuoni teile.
Hotelplan wiederum teilt mit: «Wenn Massnahmen gegen Overtourism das Kundenerlebnis und die Sicherheit unserer Kunden erhöhen, und der nachhaltigen Entwicklung dienlich sind, begrüssen wir sie.»