Schweizer Nachrichtendienst wird von Aufsichtsbehörde gerügt
Die unabhängige Aufsichtsbehörde hat den Schweizer Nachrichtendienst gerügt. Im Jahr 2021 hätten «Personelle Unsicherheiten» die Tätigkeiten geprägt.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nachrichtendienst wird von der unabhängigen Aufsichtsbehörde gerügt.
- «Personelle Unsicherheiten» hätten 2021 die Tätigkeiten «übersteuert».
In ihrem Jahresbericht kommt die unabhängige Aufsichtsbehörde zu folgendem Schluss über die Tätigkeiten der Schweizer Nachrichtendienste: «Personelle Unsicherheiten» hätten die Leistungen des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) «übersteuert». Die Behörde gab insgesamt 18 Prüfungen durch und genau gleich viele Empfehlungen bekannt.
Seit dem brüsken Abgang von NDB-Chef Jean-Phillippe Gaudin Ende August 2021 leitete Vizedirektor Jürg Bühler die Behörde. Der neue Chef Christian Dussey tritt sein Amt am Freitag an. Im vergangenen Jahr wandten sich vermehrt Mitarbeitende des NDB an das Aufsichtsgremium. Dies hält die AB-ND in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht fest.
Schweizer Nachrichtendienst erhielt neuen Chef
Dabei bemerkte die Behörde, dass der Direktionswechsel und die lange Übergangszeit bis zum Eintritt des neuen Chefs den NDB belasteten. Hinzu kamen unzufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Belastung führte zu höheren Risiken in den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten.
Von den insgesamt 18 Überprüfungen im Jahr 2021 betrafen 17 den NDB. Möglicherweise wurden die bestehenden Risiken bei den nachrichtendienstlichen Tätigkeiten beseitigt oder zumindest verringert. Die Aufsichtsbehörde wertet die gesunkene Zahl der von ihr ausgesprochenen Empfehlungen als Indiz dafür.
Illegale Cyber-Abwehr
Die Verstösse bei der Cyber-Abwehr des NDB sind der AB-ND seit Mai 2021 bekannt. Die eingeleitete externe Administrativuntersuchung hält sie für ausreichend. Insbesondere die Klärung der strafrechtlichen Folgen beobachtet sie aber weiter. In einer eigenen Prüfung sieht sie indessen keinen Mehrwert.
Das Verteidigungsdepartement leitete im Januar eine externe Untersuchung ein. Alt Bundesrichter Niklaus Oberholzer leitet sie. Zudem läuft eine NDB-interne Ermittlung.
Gemäss öffentlichem Kenntnisstand hatte der NDB bei Ermittlungen zu Cyberangriffen zwischen 2015 und 2020 Informationen beschafft. Die vorgeschriebene Genehmigung durch das Bundesverwaltungsgericht sei nicht eingeholt worden. Betroffen waren ausländische Angreifer.
Gratwanderung bei Rechtsextremen
Bei der Informationsbeschaffung über den gewalttätigen Rechtsextremismus befindet sich der Nachrichtendienst auf einer Gratwanderung, attestieren ihm die Aufseher. Den viel geäusserten Vorwurf, der NDB sei «auf dem rechten Auge blind», weisen sie indessen zurück.
Der Nachrichtendienst darf sich keine Informationen über Betätigungen im Rahmen der politischen Betätigung aufgrund der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit beschaffen. Die Unterscheidung zwischen erlaubten und gewünschten Erkenntnissen sei in diesem Themenbereich schwierig, attestiert die Aufsicht dem NDB.
Gemäss Gesetz müssen beschaffte, aber nicht erlaubte Informationen anonymisiert werden. Das mache den NDB-Mitarbeitenden Schwierigkeiten, befindet die AB-ND.
Zentralisierung für Auslandseinsätze
Bezüglich der Spionage im Ausland hebt die Aufsicht den Schutz der Informanten und Eingesetzten hervor. Dies, da diese auch in Ländern ohne Rechtsstaat operieren. Dabei legte sie das Augenmerk 2021 auf Auslandseinsätze des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten und des Bundesamts für Polizei.
Das Risikomanagement sei hier vorhanden, sollte aber verstärkt werden. Die Steuerung der Auslandseinsätze sollte beim NDB zentralisiert werden, rät sie.
Neben dem NDB nahm die Aufsichtsbehörde 2021 die Nachrichtendienste einiger Kantone unter die Lupe: Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Aargau, Waadt und Neuenburg. Sie befindet, dass diese grundsätzlich gut mit dem NDB zusammenarbeiteten. Komme es zu Einsätzen, wünschten sich sowohl die kantonalen Stellen als auch der NDB allerdings eine bessere Koordination.
Im Weiteren verlässt der bisherige Leiter Thomas Fritschi die AB-ND nach fast fünf Jahren. Er übernimmt am Freitag die Sekretariatsleitung der Eidgenössischen Spielbankenkommission. Die AB-ND wird vom stellvertretenden Leiter Dominique Volken geführt, bis eine Nachfolge für Fritschi ernannt ist.