Schweizer «Reichsbürger» verteilen Flyer an Hochschulen

Alexander König
Alexander König

Luzern,

Reichsbürgertum in der Schweiz? Daran war lange nicht zu denken. Doch jetzt geht diese Form von Verschwörungstheorie gar auf Hochschulen los.

Schweizer Reichsbürger HSLU SiPS
Sind Schweizer «Reichsbürger» auf dem Vormarsch? (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Reichsbürgertum ist offenbar auch in der Schweiz ein Thema.
  • Kürzlich verteilten Anhänger Flyer an einer Luzerner Hochschule.
  • Ein Verschwörungs-Experte warnt und stuft die Bewegung als gefährlich ein.

Verschwörungstheorien gibt es viele. Eine besonders beliebte: Der Staat sei eine «privatrechtliche Organisation» und dessen Regierung daher nicht anzuerkennen. In Deutschland sind Anhänger dieser Ideologie als Reichsbürger sehr bekannt, nicht so in der Schweiz. Das könnte sich aber schon bald ändern.

Kürzlich wurden an der Hochschule Luzern (HSLU) auf dem Campus Technik und Architektur in Horw dubiose Flyer verteilt. Ein Student teilte ein Foto dieses Flyers auf der Internetplattform Reddit, woraufhin ein Student der Universität Luzern von ähnlichem berichtete. Hinter der Verteil-Aktion steckt der Verein SiPS (Stopp der illegalen Privatisierung des Staates).

Schwurbler: «Hochschul-Abschlüsse vollkommen wertlos»

«Wussten Sie, dass Schweizer Hochschulen von der heimlichen illegalen Privatisierung der staatlichen Instanzen der Schweiz in ihrem Lebensnerv getroffen sind?», fängt der Fliesstext an.

Glauben Sie an die Privatisierung des Staates?

Die Hochschulen seien, wie sämtliche anderen staatlichen Organe auch, zu «privaten Firmen» umfunktioniert worden. Das sei «ein Fakt». Und daher seien an Hochschulen ausgestellte Abschlüsse auch vollkommen wertlos.

Verschwörungstheoretiker bringen den absoluten «Beweis»

SiPS verweist auf eine Umfrage bei Rechtsprofessoren, die bestätige, dass Schweizer Behörden inzwischen privatisiert worden seien. In Tat und Wahrheit haben ein Grossteil der angefragten Professoren das Schreiben von SiPS schlicht ignoriert.

Hochschule Luzern
Verteilt wurden die Blätter auf dem Campus des Departements Technik & Architektur. - keystone

Und die wenigen Antwortenden stellten klar, dass die Aussagen der SiPS nicht zu treffen, oder aber man dazu keine Stellung beziehen könne. Damit sieht sich der Verein aber nur weiter bestärkt, schliesslich gebe es hier klare Anzeichen für Vertuschung.

Laut Experte: Schweizer Reichsbürger sind «gemeingefährlich»

Marko Kovic, Experte für Verschwörungstheorien, erklärt: «Die Ideologie des Vereins ist eine Schweizer Variante des Reichsbürgertums.»

Die Staatsautorität werde mit der Begründung abgelehnt, es gebe den Staat gar nicht, weil alles eine private Firma geworden sei. «Das ist gemeingefährlicher Humbug!», warnt der Experte.

Wenn eine solche Organisation an einer Hochschule ihre Propaganda verteile, zeuge dies vom ideologischen Eifer der Beteiligten. Kovic vergleicht: «Es ist wie bei Sektenmitgliedern, die neue Leute hereinziehen wollen.» Dass das ganze anonym ablaufe, sei besonders dreist. «Sie probieren, Menschen hinterlistig durch Propaganda zu manipulieren.»

Fest stehe lediglich, dass ein bestimmter Alex Brunner mit der Vereinigung zu tun habe. Kovic bezeichnet diesen als «verwirrten Architekten».

Schweizer «Reichsbürger» wollen keine Steuern zahlen

Die Webseite des Vereins ist mit Dokumenten gespickt, die von massivem Aufwand zeugen. So finden sich zahlreiche Dokumente wie: «Musterbrief Schulabmeldung».

Darin steht: «Ich setze Sie in Kenntnis, dass ich mein Kind per sofort von der Schule abmelde. Ich bitte um schriftliche Bestätigung der Kenntnisnahme innert 10 Tagen.» Ein anderes Dokument soll SiPS-Anhängern die Steuerbefreiung erleichtern.

Und zwar mit Sätzen wie: «Nachdem ich feststellen musste, dass Behörden und Ämter keine öffentlich-rechtlichen Institutionen mehr sind, bin ich auch nicht mehr verpflichtet, Ihnen die Steuererklärung einzureichen.»

Doch wie ernst muss man Gruppierungen wie diese denn nun nehmen? Kovic denkt: «Die Reichsbürger-Bewegung mit ihrer totalen Ablehnung staatlicher Behörden ist nochmals einen ganzen Zacken gefährlicher als sonstige Verschwörungsideologien.»

Derweil stellt die HSLU auf Anfrage von Nau.ch klar, dass man keine Kenntnis von er Verteil-Aktion des Vereins habe. Angst, dass Studenten für Verschwörungstheorien empfänglich sind, habe man ebenfalls nicht. «Kritisches und faktenbasiertes Denken zu vermitteln, gehört zu den Aufgaben einer Hochschule und findet im Rahmen des Studiums tägliche Anwendung.»

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