Sechseläuten: Ethikerin kritisiert Ausschluss von Ex-CS-Chef Rohner
Die Zürcher Zünfte wollten Urs Rohner am Sechseläuten nicht mit dabei haben. Dies sei quasi eine Vorverurteilung und somit gefährlich, sagt eine Ethikerin.
Das Wichtigste in Kürze
- Ex-CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner war am gestrigen Sechseläuten unerwünscht.
- Dieser Entscheid bringe einfachen Leuten ein wenig Genugtuung, sagt Soziologe Ueli Mäder.
- Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle kritisiert den Ausschluss. Er impliziere eine Verurteilung.
Eine Schmach für jeden stolzen Zünfter: Urs Rohner, langjähriger Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, musste dem gestrigen Sechseläuten fernbleiben. Seine Zunft zur Meisen wollte ihn nicht dabei haben.
«Wir würden sonst befürchten, dass es zu Zwischenfällen kommen könnte», sagte Victor Rosser, Kommunikationsverantwortlicher des Sechseläutens im Vorfeld des Frühlingsfestes zu Nau.ch.
Rohner und Walter Kielholz, ebenfalls Zünfter und ehemaliger CS-Präsident, könnten mit Gegenständen beworfen werden. Das wollte man verhindern. Ist der Ausschluss der beiden gerechtfertigt?
Die beiden Argumente dazu seien zu differenzieren, sagt Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle.
«Sicherheitsüberlegungen sind vom Ausschluss als Bestrafung zu unterscheiden. Sicherheit geht persönlichen Befindlichkeiten vor. Doch in solchen Situationen kippt die Gesellschaft gerne in Moralismus über». Der Moralismus sei aber oft problematisch, weil er die Debatte in der Gesellschaft verenge, so Baumann-Hölzle.
«Eine Einladung als Ehrengäste wäre angesichts des gesellschaftlichen Schadens höchst problematisch gewesen, den die beiden mitzuverantworten haben. Sie aber als Zunftmitglieder zu ächten, ist eine ganz andere Sache», so die Ethikerin weiter.
Dies impliziere eine Vorverurteilung und sei deshalb gefährlich.
Sie plädiert deshalb für eine parlamentarische Untersuchungskommission PUK. Politik und Justiz müssten die Sache klären. «Denn am Schluss geht es immer um die Frage, wie wir als Gesellschaft gut zusammenleben können», sagt sie.
Da sei das Sündenbock-Vorgehen nicht der richtige Ansatz. Hingegen wäre ein freiwilliger Verzicht der beiden auf eine Teilnahme am Sechseläuten ein starkes Zeichen an die Zivilgesellschaft gewesen, betont die Ethikerin.
«Unverschämt absahnen»
Aus der Sicht der Sechseläuten-Teilnehmer sei der Entscheid der Zünfte wohl richtig, sagt der Soziologe Ueli Mäder. «Dieser Entscheid bringt einfachen Leuten ein wenig Genugtuung. Aber damit sind die Probleme keineswegs behoben», betont er.
Der Ausschluss tue Rohner und Co. wohl weh. Aber: «Andere dürfen dabei sein, die weiterhin unverschämt absahnen. Das ist kein Trost», so der Autor von «Geld und Macht in der Schweiz».