So erlebte Schweizer die Coronavirus Quarantäne in Indien
Die Indien-Reise eines Schweizer Paars fiel wegen des Coronavirus beinahe ins Wasser. Die beiden sprechen von «Chaos» während der Quarantäne.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Schweizer Paar reiste Ende Februar über Katar nach Indien.
- An Bord waren Personen, welche positiv aufs Coronavirus getestet wurden.
- Daraufhin wurden auch die Schweizer getestet und mussten in Quarantäne.
Die Odyssee beginnt nur wenige Stunden, nachdem Bundesrat Alain Berset aufgrund des Coronavirus eine «besondere Lage» für die Schweiz ausruft: Am 28. Februar setzen sich die Schweizer Staatsangehörigen Yannik Haruksteiner und Luisa Geier in den Flieger Richtung Indien.
Nach einem Zwischenstopp im katarischen Doha landen sie im Bundesstaat Kerala. Was das Paar zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiss: In ihrer Sitzreihe sass eine indische Familie, welche sich während Ferien in Italien mit dem Coronavirus infiziert hatte.
Zum Spiessrutenlauf wird die Reise der beiden Mittzwanziger, da die Familie Symptome bei der Einreise in ihr Heimatland verschweigt, obwohl sie während des Fluges Schutzmasken trugen. Erst rund eine Woche später wird die Familie ins Spital eingeliefert – der Fall sorgt in dem Land für Schlagzeilen.
Schweizer schlossen sich Reisegruppe an
In der Zwischenzeit haben sich die beiden Schweizer einer zuvor gebuchten Reisegruppe angeschlossen und sind mittlerweile im Bundesstaat Tamil Nadu: Eines Abends verlangt die Reiseleiterin die Flugnummern aller Teilnehmer.
Yannik und Luisa werden erst zu diesem Zeitpunkt informiert, dass es auf ihrem Flug Coronavirus-Fälle gab, sie sollen deshalb auf ihr Hotelzimmer zurückkehren. Am nächsten Morgen um 6 Uhr klingelt das Telefon: Ab sofort sind sie in Quarantäne.
Von Reisegruppe zurückgelassen
Um 10 Uhr sollen Ärzte eintreffen. Doch noch um 13 Uhr fehlt von den Fachkräften jede Spur. Einzig die Information, dass die Gruppe auscheckt und ihre Reise ohne sie fortsetzt, wird ihnen zugeteilt.
Das ungute Gefühl, da nur wenigen Details zu dem Paar durchdringen, wird von diesem Entscheid nur noch weiter befeuert. So hätten sich laut Yannik «auch andere Gäste anstecken können».
Ärzte warten sicherheitshalber vor der Türe
Erst um 15 Uhr werden sie gebeten, in ein anderes Hotelzimmer zu wechseln. Dort warten zwei Pflegerinnen «in Vollmontur». Zwei Ärzte respektive Angestellte des Gesundheitsministeriums – die genauen Zuständigkeiten blieben auch nach Erklärungsversuchen unklar – mit Mundschutz warten vor der Türe.
Die Pflegerinnen nehmen Blut, sowie jeweils einen Rachen- und Nasenabstrich. Rund ein Dutzend Personen – deren Funktionen dem Paar zum grössten Teil unklar war – nehmen während den folgenden Tagen über diverse Kanäle Kontakt auf, stellen Fragen, fordern Informationen und verunsichern so noch weiter.
«Chaotisch» sei die Lage zu diesem Zeitpunkt. Wie das Paar vermutet, nehmen ein Teil der Fachkräfte ihre Verantwortungen wahr. Bei anderen wiederum habe man das Gefühl, es werde versucht, rasch etwas über die Krankheit und dem Umgang damit zu lernen, um so als Experte zu gelten.
YouTube als einzige Unterhaltung
Essen bringt ihnen ein Angestellter des Hotels. Neben den vielen Telefonaten mit Ärzten, indischen Behörden und der Reiseleiterin bleibt nur wenig Zeit für Erholung. Einzig das Schauen von YouTube-Videos – hauptsächlich von Comedians – sorgt für Abwechslung.
Am Abend des dritten Tages in Quarantäne werden Yannik und Luisa endlich von den Ärzten vor Ort erlöst: Alle Tests sind negativ. Erlaubt wird ihnen ein Spaziergang – aber sicherheitshalber nur mit Schutzmasken. Letztere lösen in der Bevölkerung Unruhe aus. Wie Luisa Geier sagt, schreien einige Personen, sobald sie Ausländer mit der Schutzausrüstung sehen: «Corona!»
Verunreinigten Proben und zweite Tests
Auf dem Rückweg ins Hotel erhalten sie einen Anruf. Ein Arzt – mit welchem sie schon zuvor Kontakt hatten – spricht von «verunreinigten Proben». Es gilt zurück aufs Zimmer zu kehren. Die neuen Resultate sollen in wenigen Stunden eintreffen.
Endlich haben die Schweizer etwas Glück: Der gleiche Arzt erklärt, dass auch die erneuten Tests negativ sind. Der Moment der Freude währt jedoch nur allzu kurz.
Das Paar wird vor die Wahl gestellt: Entweder müssen sie weitere 14 Tage in Quarantäne weilen oder Indien muss umgehend verlassen werden. Zu diesem Zeitpunkt wenden sich Yannik und Luisa an das Generalkonsulat in Mumbai.
Generalkonsulat in Mumbai eingeschalten
Christoph Keller vom Schweizer Konsulat nahm sich den Problemen an. Da vom 9. bis 10. März die nationalen Holi-Feiertage waren, zögerte er auch nicht, gleich seine private Telefonnummer herauszugeben. Er unterstützte laut dem Paar «bestmöglich» und beriet das weitere Vorgehen.
Aus den Telefongesprächen wird klar, dass die Ärzte respektive das Gesundheitsministerium die Schweizer nicht dem Land verweisen kann, nur der Staat hätte dazu die Befugnis. Und aufgrund der negativen Tests – insbesondere, da seit dem Flug schon zwei Wochen vergangen sind – sei auch keine Quarantäne gerechtfertigt sowie rechtens.
Es wird angenommen, dass die Akteure innerhalb der Behörde mit dem drastischen Vorgehen möglichst wenig Verantwortung innerhalb ihrer Zuständigkeiten übernehmen wollen.
Reise geht bis zum 20. März weiter
Keller riet deshalb, den Bundesstaat Tamil Nadu zu verlassen. Die Verantwortungen würden so verlagert und die zuständigen Personen könnten keinen Druck mehr ausüben. Nach Absprache geht es in den Bundesstaat Goa.
Sich wieder der Reisegruppe anzuschliessen ist keine Option, sie weilt noch in dem zu meidenden Gebiet. Deshalb geht es frei reisend weiter. Die Rückreise war eigentlich für den 28. März angesetzt – den Tag, an dem das Visum ausläuft. Da bei den Ausreisen aber erneut Coronavirus-Tests anfallen könnten, verzögert sich Rückkehr teils.
Yannik und Luisa haben von Touristen gehört, die deshalb spätere Flüge nehmen mussten – und aufgrund dessen für abgelaufene Visen gebüsst wurden. Das Paar plant nun, am 20. März zurückzureisen. So gebe es noch einen Puffer für erneute Probleme.