So erlebte Walliser die Flucht aus dem Sudan
Ein Schweizer Bürger muss tagelang auf eine Evakuation aus dem Sudan warten – die am Ende nicht von Schweizer Behörden erfolgt.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Sudan wüten Kämpfe zwischen dem Staat und einer paramilitärischen Gruppe.
- Zahlreiche Schweizer befinden sich noch in dem Land, unter gefährlichen Bedingungen.
- Baudouin Noez und seine Partnerin wurde evakuiert – aber nicht von den Schweizer Behörden.
Im Sudan herrscht Krieg: Kämpfer plündern die Strassen, es kommt zu Explosionen, Häuser werden beschossen. Das erlebten auch einige Schweizer.
Einer von ihnen ist der Walliser Baudouin Noez. Er berät Organisationen im Bereich humanitärer Hilfe und wohnt seit August in der Hauptstadt Khartum. Bis zuletzt hoffte er, dass sich die Situation entspannen würde.
Dem «Tagesanzeiger» erzählt der 32-Jährige: «Als am 15. April Düsenjäger und Drohnen über unsere Köpfe flogen, da wusste ich, dass Krieg ist. Dass es keinen sicheren Platz mehr gibt, weil man sich vor Bomben nirgends verstecken kann.»
Noez und seine Partnerin müssen nach Ausbruch der Kämpfe weiter in ihrem Quartier ausharren. Die beiden haben sexuelle Übergriffe, Schiessereien und Hausplünderungen mitgekriegt.
«Wir hatten grosses Glück, einen funktionierenden Generator und gerade genügend Wasser und Nahrungsmittel zu Hause zu haben.»
Für viele Einheimische ist das anders: Sie müssen unter Todesgefahr nach draussen. Zwei ihrer Freunde seien fast von einer Explosion getroffen worden.
«Assen Fondue, um nicht in Panik zu geraten»
Noez und seine Partnerin versuchten, Normalität zu schaffen: Wir haben über alltägliche Sachen diskutiert, Fondue gegessen, auch Witze gemacht, um nicht in Panik zu geraten.»
Glücklicherweise habe das Kommunikationsnetz erstaunlich gut funktioniert. Sie meldeten sich so oft wie möglich bei ihrem Umfeld.
Noez ist schweizerisch-belgischer Doppelbürger. Die Behörden Belgiens hätten ihn regelmässig kontaktiert, sagt er. «Sie riefen immer wieder an, um über die aktuelle Lage zu informieren.»
Seine Frau arbeitet für die deutsche Botschaft. Auch diese habe sich regelmässig gemeldet, «um eine Evakuation zu ermöglichen».
Weniger gut kommt die Schweiz davon: Diese habe spärlich kommuniziert, so Noez. Erst am Abend des 18. April habe er eine Nachricht des Aussendepartements (EDA) erhalten. Eine Aufforderung, über den Aufenthaltsort zu informieren – was Noez tut.
Er habe dann tagelang nichts mehr gehört. «Die Schweiz war in dieser Krise ziemlich abwesend», sagt er.
Schweizer Behörden bieten Walliser für «gefährlichen» Flug auf
Tage später erhält er eine «verstörende» Nachricht. In zwei Stunden sei ein Flug von einer Militärbasis in Khartum geplant, informiert ihn das EDA.
«Dabei wäre es extrem gefährlich gewesen, sich allein auf den Weg dorthin zu machen.» Trotz Verständnis, dass es für die Schweiz schwierig sei, zu helfen, sei diese Kommunikation «schlecht» gewesen.
Schliesslich werden die beiden von den deutschen Behörden aus dem Land gebracht. Per Bus, der von französischen Soldaten in bewaffneten Fahrzeugen begleitet wird, gelangen sie zu einer Militärbasis. Obwohl sie die schwersten Konfliktzonen umfahren, geraten sie ins Kreuzfeuer.
Zwölf weitere Stunden warten sie auf ihre Militärmaschine. Dann gelangen sie über Jordanien nach Deutschland und Tage später sind sie zu Hause im Wallis.
Doch die Sorge bleibt: «Ein Drittel der Bevölkerung brauchte humanitäre Hilfe. Jetzt dürften daraus zwei Drittel werden.»