SRF: Gender-Chaos bei «1 gegen 100» – das steckt dahinter
In der neusten Folge von «1 gegen 100» verwendet SRF den Begriff «Schauspielende» – eine Woche zuvor hiess es aber «Künstler». Der Sender erklärt, wieso.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein «1 gegen 100»-Zuschauer staunt über das Wort «Schauspielende» bei der Themenauswahl.
- SRF erklärt, was dahinter steckt – und warum man das Gendern nicht immer gleich handhabt.
- Ein Sprachwissenschaftler ordnet ein.
In der Quizshow «1 gegen 100» darf der Kandidat wählen, zu welchem Thema er eine Frage will. Zwei stehen jeweils zur Auswahl. Natürlich entscheidet man sich für den Bereich, in dem man glaubt, sich besser auszukennen. So weit, so unspektakulär.
Allerdings fällt Nau.ch-Leser Albert V.* diesen Montag bei den Themen etwas auf.
«Plötzlich tauchte eine Kategorie namens ‹Schauspielende› auf. Ich musste zweimal lesen, ehe ich realisierte, dass es sich um die genderneutrale Schreibweise von Schauspielern handelt.»
Denn: Dass Kategorien gegendert werden, scheint ihm neu.
Für Verwirrung sorgte beim SRF-Zuschauer insbesondere, dass es eine Woche zuvor noch anders aussah. «Da gab es noch die Kategorien ‹Künstler› und ‹Nachfolger›, also in der männlichen Form.»
Setzt SRF jetzt also neuerdings auch bei den Quiz-Kategorien auf die genderneutrale Schreibweise? Jein, wie Sprecher Roger Muntwyler auf Anfrage von Nau.ch aufklärt.
SRF: Das unterscheidet «Schauspielende» und «Künstler»
Ja, man verwende bei «1 gegen 100» genderneutrale Begriffe. Nein, es handle sich dabei nicht um eine Neuerung. Die vermeintliche Änderung zwischen den beiden Sendungen hat vielmehr mit den konkreten Themen zu tun.
Ein genderneutrales Wort komme zum Einsatz, wenn ein solches überhaupt existiere. Muntwyler führt aus: «Beim Begriff ‹Künstler› ist dies zum Beispiel nicht der Fall – im Gegensatz zum Begriff ‹Schauspielende›.»
Künstlerinnen und Künstler kann man übrigens auch nicht schreiben. «Der Platz für Paarformen ist nicht vorhanden», so Muntwyler. Die Lösung: In so einem Fall verwende SRF abwechselnd die männliche und die weibliche Variante.
Eine weitere Möglichkeit wäre die Verwendung von nicht-personellen Begriffen wie «Kunst». Diese kommen bei SRF zum Einsatz, sind aber keine Eins-zu-eins-Ersatzbegriffe für Personen. «Der Begriff ‹Kunst› bedeutet etwa nicht das gleiche wie der Begriff ‹Künstler›», hält Muntwyler fest.
Linguist: «Nicht gängig» heisst nicht «falsch»
Sprachwissenschaftler Martin Luginbühl von der Universität Basel sieht kein Problem darin, dass SRF gendert. Nur maskuline Formen zu verwenden, berge Schwierigkeiten. Beispielsweise denke man dann oft nur an Männer statt an alle Menschen.
«Ich finde es deshalb auch in Quizshows gut, wenn gegendert wird», so der Experte gegenüber Nau.ch.
Luginbühl befürchtet auch nicht, dass «1 gegen 100» dadurch unverständlicher wird. «Die wenigen Studien, die uns hier vorliegen, weisen darauf hin, dass die Verwendung von geschlechtsneutralen Begriffen grundsätzlich keine negativen Konsequenzen für die Verständlichkeit hat», sagt er. Solange man sich auch hier bemüht, nicht allzu komplizierte Formulierungen zu suchen.
Sprachlich hat der Experte ebenfalls kein Problem mit dem Begriff «Schauspielende». «Wir brauchen solche Formen sehr oft», sagt Luginbühl. Als Beispiele nennt er Vorsitzende, Reisende oder Studierende – dieser Begriff sei sogar schon im 19. Jahrhundert belegt.
«Schauspielende» sei halt einfach noch nicht gängig, aber trotzdem möglich und korrekt. Luginbühl hält fest: «Nur, weil etwas nicht gängig ist, ist es nicht falsch.»
*Name geändert