Teilzeitarbeit bei Schweizer Männern auf dem Vormarsch
Neue Zahlen des Bundesamts für Statistik belegen, dass Männer immer häufiger Teilzeit arbeiten. Doch noch immer haben die Frauen die Nase vorn.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Teilzeitarbeit bei Schweizer Männern steigt kontinuierlich an.
- Frauen arbeiten dafür häufiger Vollzeit als früher.
- Besonders Mütter arbeiten noch immer häufig in einem Teilzeitpensum.
Der Anteil Männer mit einem Teilzeitpensum hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Frauen arbeiten dafür häufiger Vollzeit als früher. Das traditionelle Familienbild vom Mann als Familienernährer wird also abgelöst von alternativen Erwerbsmodellen – aber nur in sehr kleinen Schritten.
2022 arbeiteten 18,3 Prozent der erwerbstätigen Männer in der Schweiz in einem Teilzeitpensum, wie am Dienstag vom Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichte Zahlen zeigten.
Damit hat die Teilzeitquote der Männer innerhalb der letzten zwölf Jahre um 5 Prozentpunkte zugenommen. Und es zeigt sich: Diese Entwicklung geht kontinuierlich voran, denn die Zahlen nehmen praktisch Jahr für Jahr zu.
Dabei sind es nicht nur Väter, die ihre Arbeitszeit zugunsten von Betreuungsarbeit reduzieren. Auch kinderfreie Männer – ob alleinstehend oder in einer Partnerschaft – gönnen sich laut den BFS-Zahlen zunehmend mehr Freizeit durch Teilzeitpensen.
Dabei gibt es nicht nur das klassische Modell «X Tage pro Woche arbeiten, X Tage pro Woche frei» oder eine verkürzte tägliche Arbeitszeit, sondern es sind alle möglichen Formen der Ausgestaltung denkbar. Manche Mitarbeitende beziehen ihre freien Tage zum Beispiel als ganze zusätzliche Ferienblöcke oder lösen sie in einer Mischform nur während einer bestimmten Saison ein.
Ein Beispiel für eine solche Ausgestaltung des Teilzeitpensums ist Samuel T.: Er ist nicht nur ein passionierter Schlosser, sondern ein noch viel grösserer Musikfan. Um kein Openair zu verpassen, hat er vor einigen Jahren sein Arbeitspensum reduziert. Seither arbeitet er im Winter Vollzeit in einem KMU und gönnt sich dafür im Sommer häufig verlängerte Wochenenden, um an Musikfestivals zu reisen.
Bei den Frauen ist die Entwicklung genau umgekehrt: Der Anteil der Arbeitstätigen in Vollzeitpensen nimmt seit 2010 laufend zu, wenn auch nur in winzigen Schritten. 2010 arbeiteten 58,0 Prozent der Frauen in einem reduzierten Pensum, 12 Jahre später waren es nur noch 56,6 Prozent.
Dreiviertel der Mütter arbeiten Teilzeit
Obwohl auch unter den Müttern der Anteil der Vollzeit-Beschäftigten zugenommen hat, sind sie tendenziell am häufigsten in einem Teilzeit-Job tätig. 75,7 Prozent der Mütter arbeiten in Teilzeit. Bei den alleinstehenden Frauen ohne Kinder haben derweil nur 29,4 Prozent ein tieferes Pensum, bei den Frauen ohne Kinder, die in einer Partnerschaft leben, 36,5 Prozent.
Bei der Statistik werden nur die Erwerbstätigen eingerechnet. Frauen und Männer, die gar nicht arbeiten, fliessen nicht in die Zahlen mit ein. Die Erwerbstätigenquote bei Frauen zwischen 25 und 54 Jahren liegt laut der Statistik bei 83 Prozent, diejenige der Männer bei 91 Prozent.
Obwohl Teilzeit-Arbeit bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Bedürfnis ist, ist sie noch lange nicht überall gang und gäbe, wie eine ebenfalls am Dienstag veröffentlichte Studie der Axa zeigt. Bei vielen KMU, vor allem bei solchen mit nur fünf bis neun Mitarbeitenden, müssen die Angestellten im Schnitt mindestens 80 Prozent arbeiten.
Laut der Studie sind Branchen wie der Detailhandel, das Erziehungs-, Gesundheits- oder Sozialwesen eher bereit, tiefere Teilzeitpensen anzubieten. Dort beträgt das Mindestpensum im Schnitt 50 Prozent.
Weniger Teilzeitarbeit in typischen Männerberufen
«Die anhaltende Rollenverteilung der Haushalts- und Erziehungsarbeit führt dazu, dass Teilzeitarbeit in typischen Frauenberufen verbreitet und institutionalisiert ist, während die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit in typischen Männerberufen nach wie vor beschränkt sind», schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie.
Es stelle sich hierbei jedoch die Frage, wie sehr die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit mit der Tätigkeit an sich zu tun habe und wie sehr mit vorherrschenden Rollenbildern. Denn häufig würden hohe Mindestpensen schlicht damit begründet, dass zu tiefe Pensen im Verhältnis einen zu hohen Planungsaufwand nach sich zögen und nicht etwa damit, dass die Arbeit an sich eine hohe Präsenzzeit erfordere, heisst es.
Zudem zeigt sich gemäss den Autoren auch, dass Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden eher Teilzeitmöglichkeiten bieten, in diesem Modell auch mehr Vorteile sehen. «Es ist also denkbar, dass die Erfahrung eines KMU mit Teilzeitarbeit die Haltung des Unternehmens zu Teilzeitarbeit positiv beeinflusst», so heisst es in der Studie.
Die Autoren sehen die Teilzeitarbeit auch als Schlüssel zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren – auch pensionierten – Personen. Auch der Bund sieht die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen als zentral bei der Bekämpfung der Arbeitskräfteknappheit und betont, dass «bestehende Hürden für den Verbleib in der Erwerbstätigkeit und beim Wiedereinstieg» vor allem nach einer kinderbedingten Auszeit abgebaut gehören.
Eine am Mittwoch veröffentlichte Studie als Antwort auf ein entsprechendes Postulat zum Thema bescheinigt dem Bund eine gute Handhabe dieses Themas. Der Verbleib von Frauen in der Erwerbstätigkeit und Wiedereinstieg sei «in der Bundespolitik strategisch gut eingebettet» und «zahlreiche Massnahmen bereits in Kraft». Eine zusätzliche Strategie zu den bereits bestehenden Massnahmen sei deshalb nicht zielführend.
Ausserdem dürften laut dem Bundesrat die Unternehmen «ein grosses Eigeninteresse haben, proaktiv attraktive und familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen und sich gegenüber potenziellen Arbeitnehmenden vorteilhaft zu positionieren».