Zürich: Weniger Subventionen bei freiwilliger Teilzeitarbeit
Eine Mehrheit im Zürcher Kantonsrat ist überzeugt: Es sei nicht legitim, freiwillig weniger zu arbeiten und dennoch staatliche Unterstützung zu erhalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Zürcher Kantonsrat will keine Subventionierung der persönlichen Work-Life-Balance.
- Freiwillige Teilzeitarbeit soll demnach nicht zu zusätzlichen Staatsausgaben führen.
- Neben den bürgerlichen Parteien hatte auch die GLP dafür gestimmt. Die Linken sind empört.
In der Debatte um Teilzeitarbeit und Fachkräftemangel ist derzeit ein Begriff in aller Munde: Die «Work-Life-Balance» mausert sich für Arbeitnehmende hierzulande zunehmend zum zentralen Aspekt der Beschäftigung. Das Hauptaugenmerk falle gemäss einem Artikel in der «NZZ» meist auf den Teilaspekt «Life», sodass «Work» zur lästigen Nebensache werde.
Der Zürcher FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois scheint diese Ansicht zu teilen. Auch er beschäftigt sich mit der «Work-Life-Balance» – auf seine Weise. Er fordert in seinem Postulat: Personen, die freiwillig weniger arbeiten und auf Einkommen verzichten, sollten weniger staatliche Subventionen erhalten. Nämlich nur in demjenigen Umfang, wie sie diese in einem Vollzeitpensum erhalten würden.
«Ein solches Lebensmodell ist legal, aber nicht legitim»
Konkret meint Bourgeois damit staatliche Unterstützungsleistungen bei der Wohnungsmiete, den Krankenkassengebühren oder bei den Kinderbetreuungskosten. Wenn Eltern wegen Betreuungsaufgaben weniger arbeiten, soll das bei der Berechnung berücksichtigt werden. Für den FDP-Politiker steht fest: Der Staat sollte die persönliche «Work-Life-Balance» nicht subventionieren.
Auslöser für Bourgeois’ Vorstoss war ein Beispiel aus dem «Tages-Anzeiger»: Ein Unternehmerpaar arbeitet zusammen nur 15 Stunden pro Woche und lebt von rund 3000 Franken Lohn. Die vierköpfige Familie erhält aber Krankenkassenverbilligungen im Umfang von 900 Franken pro Monat. Bourgeois ist überzeugt, dass ein solches Lebensmodell zwar legal sei, aber nicht legitim. «Diese Familie bezahlt freiwillig faktisch keine Steuern, nimmt aber Prämienverbilligungen in Anspruch.»
Umverteilung für bedürftige Menschen
Soziale Errungenschaften auf der Basis von Umverteilung von Einkommen seien für bedürftige Menschen, erklärt Bourgeois. Nicht aber für gut ausgebildete Menschen, die freiwillig weniger arbeiten, um mehr Freizeit zu haben. Auch SVP-Kantonsrat René Isler pflichtete bei: «Wie wenig jemand arbeitet, ist mir als liberaler Mensch hundewurst. Mir ist es aber nicht wurst, wenn das auf Kosten der Allgemeinheit geschieht.»
FDP-Kantonsrat Mario Senn machte einen anderen Vergleich: Wenn ein Paar als Handwerker arbeite und je 60'000 Franken im Jahr verdiene, dann hätten sie Anspruch auf staatliche Unterstützungsleistungen. Ein Paar, das als Gymnasial-Lehrer je 50 Prozent arbeite und gleich viel verdiene, hat aktuell aber denselben Subventionsanspruch. «Wer freiwillig auf Einkommen verzichtet, der soll das können. Aber dann bitte ohne Subventionen aller anderen», so FDPler Senn.
Linke Ratshälfte empört
Die linke Ratshälfte wiederum zeigte sich empört: Der Vorstoss sei «zynisch» und strotze vor «gut situierter Überheblichkeit», fand Melanie Berner von der Alternativen Liste. Auch SP-Kantonsrat Andreas Daurù weibelte gegen die Vorlage. Es gebe zahlreiche Berufszweige, in denen Druck und Stress es schlicht nicht zuliessen, dass Menschen 100 Prozent arbeiten könnten.
Nach einer hitzigen Debatte im Kantonsrat wurde das Postulat am Montag mit 89 zu 76 Stimmen an die Regierung überwiesen. Unterstützt wurde das Anliegen dabei vom bürgerlichen Lager und der Grünliberalen Partei.