Teure Büezer - «…Und dann sagt man, wir Anwälte seien zu teuer»
Ein Anwalt nervt sich darüber, dass sein Beruf oft einen schlechten Ruf hat, was den Preis angeht. Handwerker seien ebenso teuer – doch das werde akzeptiert.
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Das Wichtigste in Kürze
- Preise für Anwälte und für Handwerker werden unterschiedlich beurteilt, sagt ein Anwalt.
- Es heisse immer, Anwälte seien teuer, aber er habe kürzlich auch für Büezer viel bezahlt.
- Der Haushaltsgeräte-Hersteller V-Zug erklärt, wie die Preise zustandekommen können.
Haben Anwälte einen zu schlechten Ruf? Ja, findet Michael Steiner. Der Berner Rechtsanwalt mit eigenem Advokaturbüro entfacht auf X, vormals Twitter, eine Diskussion.
Steiner glaubt, dass viele Leute zu Unrecht kritisieren, dass Anwälte teuer seien. In Zürich etwa kostet ein Anwalt ab 300 Franken pro Stunde. Dafür zieht Steiner einen Vergleich zu den Kosten für Büezer.
So habe er zuletzt einen Kühlschrank ersetzen lassen. Es seien zwei Techniker gekommen, beide kosten 129 Franken die Stunde, «nur für die Arbeit», so Steiner. «Und dann sagt man immer, wir Anwälte seien zu teuer.»
Verständnis für Handwerker ist laut Anwalt eher da
Wie Steiner gegenüber Nau.ch erzählt, hat er darauf zahlreiche Reaktionen erhalten: «Interessant finde ich, wie viele Leute letztlich zu Recht viel Verständnis für die Rechnung von zwei Technikern aufgebracht haben.» Diese zwei Stunden müssten ja schliesslich die ganze Infrastruktur, wie anderes Personal oder Miete, mitfinanzieren.
Steiner: «Es bestätigt meinen Eindruck, dass bei Handwerkern bei nüchterner Betrachtung offenbar ein Verständnis vorhanden ist. Auch wenn es als teuer betrachtet wird.»
Was Steiner allerdings stört: Anwälte hätten bezüglich Preisen einen schlechten Ruf. «Dabei hat ja ein Anwalt genau dieselbe Situation wie diese Handwerkerfirma. Mit dem Stundenansatz muss das gesamte übrige Personal, die Miete, die Buchhaltung – und einfach alles andere – mitfinanziert werden.»
Ihm sei deshalb wichtig, dass überall dieselben Massstäbe bei den Kosten angesetzt werden. «So wie der Techniker nicht 129 Franken für diese Stunde erhält, erhält der Anwalt seinen Stundenansatz nicht als Lohn.»
Anwalt: Zeitabrechnung bei Büezern «weniger präzise»
Auch die Präzision in der Zeitabrechnung ist Steiner ein Dorn im Auge: «Ich denke schon, dass Handwerker weniger präzise abrechnen», so Steiner. «Ich kann mich nicht an Handwerkerrechnungen mit einer Zeiteinheit unter einer Stunde erinnern.»
Er hingegen rechnet minutenweise ab: «Wenn ich einen Brief erhalte und diesen scanne und an den Mandanten weiterleite, sind es in der Regel fünf Minuten.»
Hinzu komme Bürozeit, die gar nicht verrechnet werden könne: «Ich habe täglich sehr viele E-Mails und Anrufe mit neuen Anfragen. Dabei gibt es vielleicht in zehn Prozent der Fälle ein neues Mandat.» Das sei normal – aber all diese Erstanfragen, bis zu 20 am Tag, brächten ihm kein Geld ein.
Steiner spricht ein heisses Thema an. Weder die Gewerkschaft Unia, noch der Branchenverband «Küche Schweiz» wollen sich gegenüber Nau.ch zum Thema äussern. Es würden keine Richtpreise oder Empfehlungen existieren und der freie Markt funktioniere, sagt der Verband.
Auch der Küchengeräte-Konzern Electrolux will auf Anfrage von Nau.ch nichts dazu sagen: «Aus Gründen der Vertraulichkeit und des Wettbewerbsrechts kommentieren wir keine Fragen zu unserer Preisgestaltung.»
V-Zug: Hoher Lohn für «gut qualifizierte Mitarbeiter» gerechtfertigt
Dafür gibt der Haushaltsgeräte-Hersteller V-Zug (2200 Mitarbeitende) Auskunft. Mediensprecherin Gabriele Weiher relativiert den Vergleich von Anwälten und Handwerkern zunächst: «Wenn man das vergleichen möchte, sollte man entweder die Stundensätze innerhalb der Privatwirtschaft oder rein auf amtlicher Ebene vergleichen.»
Denn: «Vergleicht man die Stundensätze in der Privatwirtschaft, sind die Sätze der Rechtsanwälte ein Vielfaches derer von Servicetechnikern.» Für einen Vergleich wäre es wichtig zu wissen, wie viel ein staatlich angestellter Servicetechniker verdiene.
Ausserdem würden sie minutengenau abrechnen, sagt Weiher. Am Vorwurf, dass die Arbeitszeit nicht präzise erfasst wird, ist zumindest bei V-Zug also nichts dran.
Weiher hebt zudem hervor, dass Küchenbauer und Servicetechniker andere Arbeitsbereiche haben: Servicetechniker müssten mit den Geräten sowie mit Strom und teils Starkstrom umgehen können.
«Es sind gut qualifizierte Mitarbeiter, die verschiedene Aus- und Weiterbildungen absolvieren müssen.» Darunter seien auch sicherheitsrelevante Ausbildungen, führt Weiher aus.
Handwerker-Preis hängt von vielen Faktoren ab
Wie genau der Preis letztlich ausfällt, ist von vielen Faktoren abhängig. Weiher erklärt: «Welcher Stundenansatz angemessen ist, hängt nicht nur von der verrichteten Arbeit ab, sondern auch davon, wie ein Anbieter seine Preise gestalten möchte.» Beispielsweise könne man das kostendeckend tun oder durch andere Unternehmensbereiche quersubventionieren.
Steiner würde V-Zug hier auch nicht widersprechen: Ein gut qualifizierter Handwerker könne seine Zeit auch nur einmal verkaufen. Und: «Wenn einige nun darüber nachdenken, dass bei Handwerkern und Anwälten gleich viel hintendran mitfinanziert werden muss, bin ich schon zufrieden.»