Trotz Bundesgericht: Thurgauer wollen Syrer nicht einbürgern
Das Thurgauer Kantonsparlament will einen Syrer nicht einbürgern – und das trotz eines Bundesgerichtsurteils. Auch viele Linke stimmten dagegen.
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Das Wichtigste in Kürze
- Der Thurgauer Grosse Rat hat entgegen dem Bundesgericht eine Einbürgerung abgelehnt.
- Im Zentrum der Debatte standen die finanziellen Verhältnisse des Syrers.
- Der Kantonsratspräsident glaubt, dass die Migrationsdebatten vom Ausland «überschwappen».
Der Thurgauer Grosse Rat hat mit einer Entscheidung schweizweit für Schlagzeilen gesorgt: Trotz eines Bundesgerichtsurteils lehnte das Kantonsparlament am Mittwoch das Einbürgerungsgesuch eines Syrers ab. Die Mehrheit begründete dies mit dessen finanziellen Schwierigkeiten und unzureichender Integration. Ein politisches Signal, das bewusst gesetzt wurde – auch auf die Gefahr hin, später von einem Gericht zurückgepfiffen zu werden.
Im einem Beitrag von «Schweiz Aktuell» ordnete Kantonsratspräsident Peter Bühler (Mitte) die Abstimmung in einen grösseren Kontext ein. Er verwies auf die Migrationsdebatten in Nachbarländern wie Deutschland und Österreich, die auch in der Schweiz ihre Spuren hinterliessen.
«Es ist gerade die Stimmung, wenn man im grenznahen Ausland schaut. Dann schwappt das halt auch ein bisschen in die Schweiz über. Beziehungsweise in so einen Akt wie heute Morgen.»
Er stellte jedoch klar, dass letztlich das Bundesgericht das letzte Wort haben werde: «Wir haben das politische Zeichen gegeben. Am Schluss wird das Bundesgericht halt als oberste Instanz entscheiden, was sie für richtig halten.»
«Integration lässt zu wünschen übrig»
Zuvor argumentierten die Gegner der Einbürgerung, dass der Antragssteller die kantonalen Voraussetzungen nicht erfülle. SVP-Kantonsrat Hermann Lei meinte: «Die finanziellen Verhältnisse des Gesuchstellers sind weiterhin ungeordnet, die Sprachkenntnisse ungenügend und die allgemeine Integration lässt zu wünschen übrig.»
Auch EDU-Kantonsrat Peter Schenk stützte die Ablehnung: «Der Gesuchsteller konnte seine finanzielle Situation nicht nachhaltig stabilisieren. Dies ist und wäre aber eine wesentliche Voraussetzung für eine Einbürgerung.»
GLP-Kantonsrätin Celina Hug ergänzte: «Es ist stossend, wenn Personen lediglich auf ihre Rechte pochen, jedoch ihren Pflichten gegenüber dem Gemeinwesen nicht nachkommen.»
Auch viele SP-Abgeordnete gegen Einbürgerung
Überraschend war, dass auch viele Abgeordnete der SP das Gesuch ablehnten. Fraktionspräsidentin Barbara Dätwyler stellte klar: «Wer die Auflagen erfüllt, wer sich integriert, den bürgern wir sehr gerne ein. Aber nicht die, die die Vorgaben nach kantonalem Gesetz nicht erfüllen.»
Sie betonte, dass es nicht um Ideologie gehe, sondern um die Einhaltung bestehender Regeln: «Es hat nichts mit links und SP zu tun, sondern mit einem gesunden Menschenverstand. Wir müssen hier nach dem Gesetz gehen, da sind wir verpflichtet, auch als Kantonsräte von der SP-Fraktion.»
Rechtliche Bedenken – warten auf Bundesgericht
Jurist Thomas Leu (FDP) warnte hingegen vor einem offenen Konflikt mit der höchsten juristischen Instanz: «Das Bundesgericht hat in diesem Fall die Gemeinde angewiesen, dem Bewerber das Gemeindebürgerrecht zu erteilen. Das ist nun wohl der springende Punkt.»
Er mahnte zur Einhaltung der bestehenden Gesetze: «Wir haben heute gehört, dass das Gesetz nicht befriedigt – da bin ich einverstanden. Aber solange es nicht in einem dafür vorgesehenen Verfahren geändert wird, ist es auch von uns einzuhalten.»
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Am Ende folgte das Parlament dem Antrag der Kommission und lehnte das Gesuch mit 72 zu 42 Stimmen ab. Die politische Debatte um Einbürgerungskriterien und kantonale Autonomie dürfte damit jedoch noch lange nicht beendet sein. Ob das Bundesgericht den Entscheid des Grossen Rates erneut kippt, bleibt abzuwarten.