Ukraine Krieg reisst bei Balkan-Flüchtlingen alte Wunden auf
Für die Schweiz ist der Ukraine-Krieg weit entfernt. Bei in der Schweiz lebenden Balkan-Flüchtlingen droht er jedoch, alte Wunden aufzureissen.
Das Wichtigste in Kürze
- Bilder aus dem Ukraine-Krieg setzen vor allem den Menschen zu, die Ähnliches erlebt haben.
- Das betrifft viele Albaner und Kosovaren, die in den 90er-Jahren in die Schweiz kamen.
- Gross ist zugleich die Angst, dass Putins Krieg den Konflikt im Balkan verstärken könnte.
Schwer zu verdauen sind die Bilder, mit denen die Welt in den letzten Wochen immer wieder konfrontiert wird: Videos von Bombenangriffen, Schicksale von Flüchtlingen, Bilder von Verletzten oder gar von Leichen im Ukraine-Krieg.
Noch schlimmer sind diese aber für Personen, die selbst Krieg und Flucht durchleben mussten.
Denn: Neuigkeiten aus dem Ukraine-Krieg bringen bei Geflüchteten die Erinnerung an das Trauma zurück.
Besonders nahe an den eigenen Erlebnissen ist der Ukraine-Krieg für Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Sie bilden eine der grössten Einwanderergruppen in der Schweiz und kommen etwa aus Serbien, Nordmazedonien oder dem Kosovo. Oft sind sie oder ihre Eltern in den 90er-Jahren vor dem Krieg in der Heimat geflohen.
Ukraine-Krieg erinnert an Trauma
Eine von ihnen ist Sanija Ameti, Co-Präsidentin der politischen Bewegung Operation Libero, die 1992 im damaligen Jugoslawien geboren ist. In ihrem Umfeld ist der Ukraine-Krieg ein grosses Thema. «Ich habe Freunde, die aufgewühlt und verängstigt sind», sagt sie gegenüber Nau.ch.
«Manche von ihnen haben einen Krieg direkt erlebt, andere aber fühlen die Angst über die Fluchterfahrung ihrer Eltern oder Grosseltern.»
Ameti treffen die Bilder auch persönlich. «Ich selbst fühle mich die meiste Zeit einfach nur taub. Es gibt aber einige Momente, in denen die Trauer durchdringt.» Sie habe aber auch die Hoffnung, dass die Ukraine-Flüchtlinge «wie meine Familie auch, eine neue Heimat finden werden».
Grosse Angst vor neuem Krieg im Kosovo
Nicht nur bei Balkanstämmigen in der Schweiz, sondern auch in ihrer Heimat reisst der Ukraine-Krieg viele alten Wunden auf. Gross ist die Angst, dass alte Konflikte wieder aufflammen könnten und der Krieg auch zurück in den Balkan kommt.
«Kosovo und Albanien von Putins Krieg bedroht?», titelt etwa die albanische Diaspora-Zeitung «Bota sot», die ihren Sitz in Zürich hat, am Freitag. In dem Interview warnt Islam Lauka, ehemaliger Botschafter für Albanien: «Nach der russischen Aggression in der Ukraine sehen wir nun auch eine Reaktivierung nationalistischer Kräfte in Serbien.»
Die Folge sind etwa Demonstrationen. In Serbien gingen tausende Menschen mit pro-russischen Parolen auf die Strasse und bekundeten Putin ihre Unterstützung.
Auch dies trägt zu weiteren Spannungen zwischen dem Kosovo und Serbien bei, genau wie die serbischen Wahlen Anfang April. Serbien wirft dem Nachbarland zurzeit vor, dass serbische Doppelbürger im Kosovo nicht wählen dürfen. Der kosovarische Premierminister streitet dies ab: Das Problem sei lediglich, dass sich Serbien weigere, die Angelegenheit offiziell anzugehen.