Ukraine Krieg: Schulen «rechnen mit traumatisierten Kindern»
Der Ukraine-Krieg treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Einige kommen in die Schweiz – vor allem Frauen und Kinder. Letztere sollen hier zur Schule gehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Schweizer Schulen müssen in den kommenden Wochen mit neuen geflüchteten Kindern rechnen.
- Dafür braucht es zusätzliche Unterstützungsangebote, wie etwa Deutsch für Fremdsprachige.
- Auch die Klassen werden entsprechend auf die neuen Mitschüler vorbereitet.
Seit rund zwei Wochen tobt der Ukraine-Krieg. Laut UN-Angaben sind inzwischen über zwei Millionen Menschen aus dem Land geflüchtet –einige davon auch in die Schweiz.
Das sind vor allem Frauen und Kinder. Letztere gehen hierzulande teils bereits zur Schule. Doch welche Vorbereitungen müssen Schulen dazu treffen?
«Es kommt immer darauf an, wie viele Kinder und Jugendliche in die jeweilige Schule kommen werden.» Das erklärt Dagmar Rösler, die oberste Lehrerin der Schweiz, auf Anfrage von Nau.ch. Grundsätzlich sei es für Lehrpersonen keine komplett neue Situation.
«Aber natürlich braucht es nebst den Lehrpersonen in der Klasse weitere Unterstützungsangebote: Zum Beispiel Deutsch für Fremdsprachige oder eventuell auch Schulsozialarbeit.»
Schulen müssen Traumata aus Ukraine-Krieg Rechnung tragen
Die Kinder müssten sich hier sicher und wohl fühlen. «Viele von ihnen haben traumatische Erlebnisse hinter sich, mussten Vater und Bruder zurücklassen. Und sie haben keine Ahnung, wie ihre nahe Zukunft aussehen wird.» Diesen Umständen müsse Rechnung getragen werden.
Dies geschehe, indem man die Klasse einbeziehe, mit ihnen über den Ukraine-Krieg spreche, ohne zu verurteilen. «Es gibt ja heute in praktisch jeder Klasse Kinder, die ebenfalls aus ihrem Land geflüchtet sind.» Diese Erfahrungen könne man sicher auch nutzen, um die neuen Kinder zu integrieren.
In Eschlikon TG gehen seit Montag bereits drei ukrainische Kinder zur Schule. «Sie nehmen, so gut wie es die sprachlichen Möglichkeiten zulassen, am Unterricht teil», sagt Schulleiter Thomas Minder auf Anfrage. Die Mitschüler wurden informiert, dass die Kinder aus der Ukraine stammen.
«Viele wissen über den Krieg Bescheid. Man bespricht mit ihnen, was da passiert, was allenfalls Auslöser und Folgen der Kriegshandlungen sind.» Aber das sei immer abhängig vom Alter der jeweiligen Kinder.
Zuerst sollen sie «ankommen»
Die geflüchteten Kinder sollten laut Rösler zuerst Klasse, Lehrpersonen, Schule sowie den neuen Wohnort kennenlernen und «ankommen». Danach werde es auch um schulische Belange gehen, wie das Erlernen von Deutsch. «Dazu wiederum braucht es zusätzlichen Deutschunterricht.»
Die Herausforderung sei gemäss Minder, dass die Kinder so schnell wie möglich die Unterrichtssprache lernen, damit sie echt integriert würden. «Wir rechnen auch damit, dass wir Kinder haben werden, die traumatisiert sind. Traumatisierte Menschen haben manchmal Lernblockaden, dann wird das Erlernen der Unterrichtssprache schwierig und eine Integration sehr erschwert.»
Diese Erfahrungen hätten die Schulen in den letzten rund 30 Jahren bereits mit Geflüchteten aus Balkan-Ländern, Afghanistan oder Syrien gemacht. Ob die drei ukrainischen Kinder von Mitschülern mit Fragen zum Ukraine-Krieg überhäuft werden, könne Minder derzeit nicht sagen.
Er gehe aber davon aus, dass sie Fragen haben und diese stellen möchten. «In der Schule versuchen wir dem Raum und Zeit zu geben, sodass es für alle annehmbar ist.»