Viele Lehrer sind streng religiös – Gefahr für Bildung?
Die pädagogischen Hochschulen ziehen die unterschiedlichsten Menschen an. Überrepräsentiert sind zum Beispiel Freikirchler, Hexen und Esoteriker.
Das Wichtigste in Kürze
- Viele streng religiöse Personen wollen Lehrerin oder Lehrer werden.
- Doch auch andere Weltanschauungen sind an den PHs überrepräsentiert.
- Experten geben jedoch Entwarnung – Religion und Unterricht wird meist strikt getrennt.
Vor wenigen Wochen wurde ein schwuler Lehrer in Pfäffikon ZH entlassen – nach haltlosen Vorwürfen durch religiöse Eltern. Sie hatten ein Problem mit seinem Sexualkundeunterricht, obwohl er sich an den Lehrplan hielt.
In der Folge sprach die oberste Lehrerin der Schweiz, Dagmar Rösler, bei Nau.ch von einer «gefährlichen» Stimmung. Sie verstehe nicht, warum Eltern ihren Frust über den Unterricht an Lehrpersonen entladen.
«Sonst beginnen Lehrpersonen plötzlich damit, aus Angst vor Eltern wichtige Themen nicht mehr anzusprechen», warnte Rösler. Dann könne am Ende der Lehrauftrag nicht mehr erfüllt werden.
Freikirchler an den PHs überrepräsentiert
Doch nicht nur religiöse Eltern versuchen, den Unterricht zu beeinflussen. Vereinzelt kommt es auch zu Zwischenfällen mit Lehrpersonen. Unter ihnen gibt es einige, denen der Stoff nicht ins Weltbild passt.
Ein offenes Geheimnis ist zum Beispiel, dass die pädagogischen Hochschulen (PHs) Personen anziehen, die in einer Freikirche sind. Georg Otto Schmid von der Informationsstelle Relinfo erklärt bei Nau.ch: «In Freikirchen hat die Arbeit mit und für Menschen ein hohes Prestige. Ein Job, der vor allem viel Geld bringt, wird dagegen eher kritisch gesehen.»
Die Folge: «Freikirchlerinnen und Freikirchler sind in manchen Branchen typischerweise überrepräsentiert. Vor allem in den Bereichen Medizin, Pflege, Polizei, Soziale Arbeit und Pädagogik.»
Lehrerin bietet Gebet an
Vereinzelt haben diese Personen Mühe, Unterricht und Religion zu trennen. «So gab es zum Beispiel Medienberichte über eine Lehrerin, die der Organisation OpenHouse4Cities angehörte», erzählt Schmid.
«Sie wollte an ihrer Schule ein regelmässiges Lehrer-Gebet anbieten.» Davon, dass sie damit ihre Schülerinnen und Schüler beeinflussen wollte, war aber nicht die Rede.
Einen anderen Zwischenfall gab es vor ein paar Jahren: «Unterrichtsmaterialien der christlichen Organisation VBG empfahlen Lehrkräften, ihren Glauben bewusst auch ausserhalb des Religionsunterrichts einzubringen. Zudem sollten sie dafür Tipps bereitstellen.»
Schmid erinnert sich: «Dies kam in der Öffentlichkeit sehr schlecht an und wird freikirchlicherseits heute als Fehler gesehen.»
Lehrperson weigert sich, Lehrplan-Inhalte zu vermitteln
Auch Christoph Ackermann, Präsident des Verbands der St. Galler Volksschulträger, kennt einen solchen Fall, wie er zu Nau.ch sagt. «Eine Lehrperson hat Lehrplaninhalte nicht vermittelt, weil sie nicht ihrem Weltbild entsprachen.»
Susanne Schaaf von der Fachstelle für Sektenfragen Infosekta ergänzt: «In Einzelfällen geht es beispielsweise darum, dass eine Lehrperson einen freikirchlichen Bibelkreis ausserhalb der Unterrichtszeiten gestaltet und Jugendliche dazu einlädt.»
Die Fachleute beruhigen aber. «Insgesamt kann gesagt werden, dass aktive Missionierung im Unterricht kaum vorkommt», sagt Schmid. Und Schaaf erklärt: «Wir erhalten heute sehr selten Anfragen zu Konflikten mit religiösen Lehrpersonen.» Das sei vor allem in den 90er-Jahren ein Thema gewesen.
Ackermann betont, keine Zunahme festzustellen – der erwähnte Zwischenfall sei der einzige, der ihm bekannt ist.
PH zieht Zeugen Jehovas, Scientologen, Hexen und Esoteriker an
Doch nicht nur Freikirchen sind laut Georg Otto Schmid an den pädagogischen Hochschulen überrepräsentiert – sondern auch andere Weltanschauungen. «Etwa linksalternative Kreise, die betont atheistisch positioniert sind und der Bereich der Esoterik. Zudem gibt es gegenwärtig an PHs einige Lehramtskandidatinnen, die sich als Hexe definieren.»
In den letzten Jahren hätten vor allem esoterisch engagierte Lehrpersonen für Wirbel gesorgt, sagt Schmid. Zudem würden sich auch immer wieder Menschen aus umstrittenen Gemeinschaften und Sekten für den Lehrberuf entscheiden. «Zum Beispiel aus den Zeugen Jehovas, der Scientology-Organisation, der Kirschblüten-Gemeinschaft oder Komaja.»
Zusammengefasst: Es gibt vereinzelt Zwischenfälle mit religiösen oder spirituellen Lehrpersonen. Eine Zunahme stellen Fachleute aber nicht fest.
Und die Behörden, die oberste Lehrerin Dagmar Rösler und die PHs betonen, dass die Studierenden sensibilisiert werden. Laut der Bildungsdirektion des Kantons Zürich zum Beispiel sind Lehrpersonen gesetzlich verpflichtet, in konfessionellen und politischen Fragen neutral zu sein.
Die PH Bern betont: «Wer nicht offen und diskriminierungsfrei beispielsweise über sexuelle Orientierung unterrichten kann, sollte nicht Lehrperson sein.» Und auch beim PH-Institut NMS Bern heisst es auf Anfrage: «Wir würden genau hinschauen, ob sich die Person für den Beruf eignet», würde jemand aus religiösen Gründen Lehrplan-Inhalte ablehnen.