Viele Zahnärzte verrechnen mehr als erlaubt
Laut Experten sind rund ein Drittel aller Zahnarzt-Rechnungen zu hoch. Das Tarif-System ist so kompliziert, dass die Schlichtungsstelle Fehler nicht findet.

Das Wichtigste in Kürze
- Rund ein Drittel aller Zahnarztrechnungen sind laut zwei Experten zu hoch.
- Das Tarifsystem ist kompliziert, Patienten können Fehler kaum selbst erkennen.
- Die Zahnarztgesellschaft prüft einen Fall und kündigt Massnahmen an.
Ein Rentner liess sich in Winterthur einen Zahn behandeln. Für die Wurzelbehandlung und die Vollkeramikkrone erhielt er eine Rechnung über 3951.35 Franken, wie er dem «Beobachter» schildert. Er wurde stutzig, da der Betrag identisch mit jenem des Voranschlags war – obwohl er auf Leistungen verzichtet hatte.
«Ich war überzeugt, dass der Zahnarzt mich beschissen hatte.» Vom Mediziner erhielt er aber nur schwammige Ausreden, weshalb er sich an die Schlichtungsstelle der Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) wendete.
Diese fand eine Kostenüberschreitung von 84.75 Franken. Doch weil der Zahnarzt dem Patienten auch eine Gutschrift von 150 Franken gegeben habe, riet die SSO ihm, zu bezahlen. Zudem musste er eine Gebühr von 65 Franken entrichten. Er habe sich machtlos gefühlt, sagt der Rentner, und deswegen bezahlt.
Dabei war die Rechnung in der Tat deutlich zu hoch, wie SSO-Experten erklären. Gemäss Zahnarzttarif hätte der Mediziner 3181.10 Franken verlangen dürfen, bei 14 Punkten rechnete er zu viel ab. Und so betrog er den Patienten um 770.25 Franken, rund 25 Prozent. Zwei weitere unbeteiligte Zahnärzte fanden ebenfalls zu hohe Kosten von mindestens 600 Franken.
Jährlich 200 Millionen Franken zu viel abgerechnet
Zahnarztleistungen von SSO-Ärzten werden nach dem Dentotar-Tarif abgerechnet. Jede Tarifziffer ist im Internet aufgeschaltet, könnte also von Patienten überprüft werden. Doch das System ist sehr kompliziert – selbst die SSO-Schlichtungsstelle fand die Fehler nicht.
Und das nutzen viele Zahnärzte aus: Gemäss zwei Experten, die Rechnungen für Versicherungen kontrollieren, fallen rund ein Drittel davon zu hoch aus. Oft seien es 50 bis 100 Franken. Dadurch verlieren die Patienten jährlich rund 200 Millionen Franken.
Die SSO nennt den Fall des Rentners aus Winterthur bedauerlich. «Abrechnungen dieser Art schaden dem guten Ruf der Zahnärzteschaft», schreibt sie dem «Beobachter». Solche Praktiken lehne sie mit aller Deutlichkeit ab, sie werde den Fall aufarbeiten und Massnahmen ergreifen.