Wie Øscår Elch den Corona-Vorwürfen trotzt
Øscår Elch ist einer der wenigen Orte, an denen in Bern heuer Glühwein konsumiert werden darf. Trotz der Superspreader-Vorwürfe boomt das Pop-up.
Das Wichtigste in Kürze
- Øscår Elch darf als einer der wenigen Orte in Bern noch Glühwein ausschenken.
- Der Kanton äusserte kurz nach Eröffnung Ende November Zweifel am Gesundheitskonzept.
- Doch das Pop-up trotzt den Vorwürfen und brilliert nun als Vorbild.
Vor dem hell ausgeleuchteten Holztor beim Ringgenpark in Bern erstreckt sich eine Schlange aus Menschen. Im Einklang mit den weissen Markierungen am Boden warten sie geordnet auf Einlass. Die Novemberkälte frisst sich derweil durch Schal und Daunenjacke bis auf die Knochen durch. Dennoch: Die Wartezeit beim Øscår Elch nimmt der Glühwein-Freund gerne auf sich.
Coronavirus – der Gastro-Feind
Ganz anders sah es in den vergangenen Jahren aus. Die Menge drängte sich Rücken an Rücken. Zwischen den vielen Besuchern war so wenig Platz, dass von Kälte keine Spur war. Das Lachen der Beschwipsten stieg über der Stadt empor, die Hände klebrig vom verschütteten Glühwein oder Glögg.
Wo vor zwölf Monaten noch das vorweihnachtliche Apéro-Leben pulsierte, ist es heute ruhiger geworden. Der Feind hat wieder zugeschlagen: das Coronavirus. Es zwang auch das berühmte Pop-up zum Umdenken. Die Inhaber um Camil Schmid reichten ein lückenloses Schutzkonzept ein. Dann die Erlösung! Grünes Licht von den Berner Behörden. Elch-Test bestanden.
So tummeln sich Berner bereits am 21. November, dem Tag der Eröffnung, vor der Outdoor-Bar. Dass das Schutzkonzept greift, zeigt sich bereits vor dem Einlass. Wer keine Maske trägt, wird von einem Mitarbeiter umgehend darauf hingewiesen. Wer einen der hundert Sitzplätze ergattern will, muss sich gedulden.
Einmal beim Eingang angekommen, hat der Glühweinfreund sich erst per QR-Code zu registrieren. Ohne Registrierung gibt es auch keinen Ausschank an der Bar. Somit wurde Øscår Elch zu einem der einzigen Outdoor-Orte, an denen in Bern noch Glühwein ausgeschenkt werden darf.
Wo sonst Pflastersteine den Weg zieren, liegen nun Holzschnipsel. Über sie führt ein langer Steg aus Holzlatten direkt zum Glühweinstand. Ausgeleuchtet ist er mit einem Meer aus Lichtern. Dutzende von ihnen hängen auch von den Bäumen herunter und leuchten den Nachthimmel aus. Wo es einst schwierig war, sich in Zimmerlautstärke zu unterhalten, hört man heuer nur noch vereinzelte Lacher.
Natur-Toilette ohne Anstehen
Verteilt wie kleine Inseln im Meer thronen Zweier- oder Vierertische auf Podesten. Mal höher, mal etwas weniger hoch, mal dem Sternenmeer in den Baumkronen nahe. Dass Berner Corona können, zeigt sich an der Bar. Abstand ist selbstverständlich, die Wartezeit war noch nie so kurz.
Wird der Abstand doch mal zu klein, verweist das Bar-Personal sofort auf die Regeln. «Tut mir leid, muss ich hier Corona-Polizei spielen», entschuldigt sich die Bar-Frau. Aber so sind sie, die Regeln. Und sie funktionieren.
Auch bei der Natur-Toilette, welche ohne Spülung, dafür mit Holzspänen funktioniert, ist die Wartezeit kurz. Selbstverständlich kommt man auch hier nicht ums Desinfektionsmittel herum.
Trost aus Tassen
Ein weiterer Pluspunkt des Schutzkonzeptes ist der zusätzliche Abstand zwischen den Tischen. Er verhindert, dass gelauscht wird, was automatisch eine intime Atmosphäre erzeugt. Und das wichtigste: Glühwein bleibt Glühwein. Egal ob rot oder weiss, Bernerinnen und Berner dürfen sich auf den süssen Geschmack von Änis, Zimt und Nelken freuen.
Besonders der Kantonsregierung stiess die Eröffnung der Outdoor-Bar sauer auf. So zweifelte Gundekar Giebel, Sprecher der Gesundheitsdirektion, beim Lokalsender TeleBärn Øscår Elch an. «Wenn wir zusätzliche Orte eröffnen, wo sich mehr Leute treffen, gehen wir in eine falsche Richtung.»
Organisator Camil Schmid sagt, dass die Zweifel der Regierung unbegründet sind. «Die Obergrenze von 100 Personen sollte den Restaurationsbetrieben beim Überleben helfen. Das gilt auch für unsere Gastro-Agentur, die wegen Corona auf viele Einnahmen verzichten musste.»
Schmid weiter: «Was wir hier machen, hat nichts mit Halligalli zu tun. Wir kämpfen ums nackte Überleben.» Das Resümee der Gäste sei einheitlich. Die Kritik der Regierung habe weder Hand noch Fuss.
In diesem tristen Jahr ist nicht nur Schmid froh, dass er die Türen des Elchs öffnen konnte. Für manch einen Besucher tröstet eine Tasse des heissen Getränks über die schwierigen Monate im 2020 hinweg.