Eine Zwei-Zimmer-Wohnung kostet nach dem Mieterwechsel fast 1000 Franken mehr. Grund sei eine sanfte Renovation. Der Mieterverband warnt vor Abzocke.
tsüri zürich
Direkt an der Tramhaltestelle Werd: die braune Liegenschaft an der Grüngasse 2. - Tsüri.ch / Lara Blatter

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Zürcher Kreis 4 wird der Mietzins einer Wohnung um fast 1000 Franken erhöht.
  • Von der Immobiliengesellschaft wird dies mit sanften Renovationen gerechtfertigt.
  • Der Mieterverband hingegen spricht von Abzocke – und rät, den Mietzins anzufechten.
Ad

Mieterwechsel werden in Zürich oft dazu genutzt, um die Miete zu erhöhen, ohne dass die Wohnungen erheblich aufgewertet werden. Ein aktuelles Beispiel illustriert genau diese Praxis: Mitten im Kreis 4, direkt an der Tramhaltestelle Werd, steht eine Zwei-Zimmer-Wohnung ausgeschrieben, geworben wird mit den Attributen «gut dimensionierte Zimmer», «sinnvolle Grundrissaufteilung», «61 Quadratmeter», «Balkon» und «geräumige Küche».

Die Bruttomiete beträgt 2205 Franken inklusive Nebenkosten. Laut Aussagen der Vormieterin bezahlte diese für die Wohnung lediglich 1300 Franken. Nun kostet die Zwei-Zimmer-Wohnung 905 Franken mehr.

Eigentümerin des Wohnblocks an der Grüngasse 2 ist die SF Urban Properties AG mit Sitz im Seefeld. Mediensprecherin Sarah Lenz begründet den Aufschlag von gut 70 Prozent wie folgt: «Der Anstieg der Miete resultiert aus einer Renovation und Modernisierung der Wohnung. Diese Massnahmen steigern den Wohnstandard, was sich auch in den erhöhten Mietkosten widerspiegelt.»

Eine Erneuerung der Böden und eine Modernisierung der Küche seien geplant. Zudem würde die Miete marktüblichen Konditionen entsprechen, so Lenz.

zürich wohnung tsüri ch
Die Eigentümerin rechtfertigt den Anstieg von fast 1000 Franken mit sanften Renovationen. - Tsüri.ch / Screenshot immoscout24.ch

Mieterinnen- und Mieterverband warnt vor Abzocke

Laut Mietpreiserhebung der Stadt liegt der Median im Quartier Werd bei 1670 Franken für eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Diese beruht aber vor allem auf Bestandsmieten.

Aktuelle Zahlen von «Tsüri.ch» zeigen, dass im Kreis 4 derzeit etwa 150 2- und 2,5-Zimmer-Wohnungen ausgeschrieben sind. Der Median liegt da bei 2370 Franken.

Für Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich reichen aber weder die quartierüblichen Mieten noch die versprochenen Arbeiten für einen derartigen Mietzinsaufschlag: «Mit knapp 61 Quadratmetern ist die Bruttomiete von 2200 Franken eher hoch. Es grenzt an Abzockerei.»

Angesprochen auf die Vorwürfe entgegnet die Immobilienfirma, dass man grossen Wert auf eine transparente Preisgestaltung lege, und verweist nochmals auf die geplanten Investitionen und die marktüblichen Preise.

Machst du dir Sorgen wegen der hohen Mieten in Zürich?

Dem hält Angst entgegen. «Die Orts- und Quartierüblichkeit kann vom Eigentümer nicht nachgewiesen werden.» Er rät den zukünftigen Mieterinnen und Mietern, den Anfangsmietzins anzufechten. Die Erfolgschancen, eine Mietreduktion zu erreichen, schätzt er im vorliegenden Beispiel als «realistisch» ein.

Es sei jedoch möglich, dass die Schlichtungsbehörde und das Mietgericht einen Aufschlag von mehr als zehn Prozent akzeptieren würden. Dass die Gerichte aber eine Erhöhung um 70 Prozent decken würden, könne er sich nicht vorstellen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die SF Urban Properties AG wegen eines derartigen Anstiegs der Miete von sich reden macht. Im Jahr 2021 berichtete der «Tages-Anzeiger» bereits von einem ähnlichen Fall ebenfalls an der Grüngasse 2. Damals verlangte dieselbe Eigentümerin für eine 3-Zimmer-Wohnung beim Wechsel 1500 Franken mehr. Von 1130 stieg die Miete auf 2630 an.

Immobiliengesellschaften übernehmen Zürich

Der Anteil der Immobiliengesellschaften an den Stadtzürcher Wohnungen stieg in Zürich in den letzten Jahren kontinuierlich. Im Februar verkündete die Stadt erstmals, dass Firmen ein Drittel aller Wohnungen in Zürich besitzen. Heisst: Jede dritte Wohnung in Zürich gehört kommerziellen Firmen, die damit die Privatpersonen als die grösste Gruppe der Wohnungsbesitzerinnen und -besitzer ablösten.

Das Beispiel der Wohnung an der Grüngasse sei die Folge dieser aktuellen Entwicklung, sagt Walter Angst und ergänzt: «Es gibt aber auch eine erhebliche Zahl an privaten Besitzerinnen und Besitzern, die bei der Abzockerei mitmachen.»

tsüri ch wohnung
Die Wohnung im 1. Obergeschoss: Ein Bauarbeiter steht auf dem Balkon. - Tsüri.ch / Lara Blatter

SF Urban Properties AG ist eine Tochtergesellschaft der Swiss Finance & Property Group. Sie gehört zu den grössten Immobilien-Investmentgesellschaften der Schweiz. Wie dem Geschäftsbericht der SF Urban Properties AG zu entnehmen ist, lag der Wert ihrer Renditeliegenschaften per Ende 2023 bei 745 Millionen, verteilt auf 47 Liegenschaften, wovon sich 15 in der Region Zürich befinden.

Aus dem Geschäftsbericht geht ebenfalls hervor, dass die Gruppe für die Liegenschaft an der Grüngasse «Potenzial identifiziert und entsprechende Studien in Auftrag gegeben» hat.

Das Potenzial der Liegenschaft im Kreis 4 könne eine Modernisierung der Wohnung oder einen grösseren Umbau, wie etwa eine Dachaufstockung, mit sich bringen, so Lenz.

Was das für die gesamte Mieterschaft genau heisst, lässt die Firma auf Nachfrage offen, man befinde sich noch in der Abklärungsphase. Aber: «Es ist unser wichtigstes Anliegen, die baulichen Potenziale unserer Immobilien auszunutzen. Damit steigern wir die Attraktivität der Immobilie, der Umgebung und bieten mehr Wohnraum.»

***

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autorin Lara Blatter ist Co-Geschäftsleiterin und Redaktorin beim Zürcher Stadtmagazin.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

AngstFranken