Biedermann & die Brandstifter
Unser Kolumnist staunt, wie Roger Köppel seine eigenen Wähler ans Messer liefert, nur um sich dabei politisch zu profilieren. Ganz ohne persönliches Risiko.
Das Wichtigste in Kürze
- Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
- Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
- Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
- Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.
Der Nationalrat und Weltwoche-Herausgeber Roger Köppel rief diese Woche zum Widerstand gegen die Corona-Massnahmen auf: Beizer sollen gegen die Corona-Verordnungen verstossen und ab 1. März illegal wieder öffnen.
Das ist derselbe Roger Köppel, der vor ein paar Monaten bei der Klima-Demo auf dem Bundesplatz nach harten Massnahmen rief, sich für den Rechtsstaat in die Brust warf und die Jugendlichen am liebsten eigenhändig ins Loch geworfen hätte. Ein Paradebeispiel an Heuchelei und Doppelmoral. Gesetze gelten nur für den politischen Gegner.
Aber darum gehts heute nicht. Es geht um diejenigen, die dem Politiker vertrauen und seinem Aufruf vielleicht sogar folgen.
Es ist nicht so, dass sich Roger Köppel wirklich für die Beizer interessiert - er würde sicher nicht in eine der illegal geöffneten Beizen gehen, und sich dabei strafbar machen. Köppel benutzt die Ängste und den Frust der von den Massnahmen Betroffenen nur, um sich politisch zu profilieren. Er schickt aus der sicheren Wärme seines Büros diejenigen, die am stärksten unter der Pandemie leiden, offenen Auges in die Illegalität, die ihnen am Ende wirtschaftlich wirklich das Genick brechen könnte. Und das nur, um sich selbst als Revolutionär aufzuspielen, der heldenhaft gegen die Unterdrückung durch den Bundesrat kämpft. Natürlich ohne, dass er sich auch nur eine Sekunde dem Ungehorsam anschliesst oder ein Risiko eingeht. Er geht sicher am 1. März nicht mit Familie in eine dieser Beizen, die er dem Untergang preisgeben will. Feige, würde man sagen. Oder wie man hier bei uns in Zürich sagen würde: «Grossi Schnurre und nüt dehinder».
Er nimmt für seine Wohnzimmersessel-Revolution das Leid und den Konkurs der Leute in Kauf, die ihm glauben und seinen Anstiftungen folgen. Wie ein solches Aufhetzen endet, sehen wir in den USA: Der Anstifter geht frei aus, kann sich sogar selbst als Opfer aufspielen, während die dummen Leute, die seinen Aufrufen gefolgt sind, hart bestraft werden.
Er und seine Freunde unterstellen dem Bundesrat, absichtlich mit den Massnahmen die KMUs und die Wirtschaft zu vernichten. Man fragt sich, wieso sich Leute über alle Parteien hinweg, ja auch in der SVP, für die Massnahmen aussprechen, die Politik des Bundesrats mittragen, nur um dem eigenen Land zu schaden. Die Antworten, die man aus dieser Ecke bekommt: Die demokratisch gewählte Regierung in der Schweiz ist durchwegs dumm oder böse.
Viele Massnahmengegner haben sich langsam aus der Realität der Welt verabschiedet. Während weltweit eine Pandemie - inzwischen mit neuen Mutationen - wütet, die schwachen Massnahmen in der Schweiz langsamer wirken als zum Beispiel die harten Massnahmen in Australien oder Neuseeland, schreien Köppel, Zanetti und ein paar libertäre Buben «Diktatur» und wollen offenbar der eigenen Wählerschaft eine noch längere Pandemiezeit aufbürden. Wieso tun sie das?
Man möchte denken, das sei vielleicht reine Dummheit. Das ist es nicht. Dieses Opfern der eigenen Wähler ist aus dem Einmaleins des Populismus. Solange es den Menschen schlecht geht, lassen sie sich einfacher aufwiegeln, aufhetzen und mobilisieren. Man muss nur ihren Frust und ihre Angst in Wut umwandeln, und ihnen dann ein Ziel (Capitol, Bundesrat, Biden, Berset) geben, an dem sie ihren Hass ausleben können. Und natürlich muss man dafür sorgen, dass sie so lange wie möglich leiden und unzufrieden sind, weil damit die Macht über sie länger anhält. Natürlich immer, ohne selbst das geringste Risiko einzugehen, und nebenbei mit der Unzufriedenheit Geld zu verdienen. Zum Beispiel, indem man seine eigenen Medienkanäle damit bedient.
Im Falle der illegalen Beizenöffnungen am 1. März, zu denen Köppel anstiftet, sähe es dann so aus: Gäbe es Bussen, würden dadurch Unternehmen in Konkurs gehen, wäre natürlich nicht der feige Anstifter verantwortlich, sondern diejenigen - Justiz, Polizei, Parlament - die den Gesetzen unseres Rechtsstaates Geltung verschaffen müssen. Natürlich würde das mehr Wut gegen unsere Demokratie generieren, die dann wieder von Populisten missbraucht werden könnte.
Und es funktioniert, wie man sicher in der Kommentarspalte heute wird sehen können. Die Leute werden - ohne logische Argumente - geifern und wüten. Sie werden die Populisten verteidigen, die ihre eigenen Wähler und ihre eigene Gefolgschaft opfern, um sich selbst zu profilieren.
Das Ironische daran ist, dass Köppel nicht seinen Gegnern schadet, die folgen seiner Hetze ja nicht. Er schadet den Leuten, die ihm vertrauen und auf ihn hören. Den Leuten, die ihn aus tiefstem Herzen verteidigen. Und das kennen wir ja in grossem Stil von Trump und seinen Anhängern, die nach dem Capitol-Sturm vielleicht für Jahre ins Gefängnis gehen, während der orange Dummbatz weiter seine Geschäfte macht.
Zum Autor: Reda El Arbi ist 51-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und mehreren Hunden in Stein am Rhein SH.