Daniel Koch: Frustriert, weil Trump meinen Kurs in Kiew absagt
Eigentlich hätte Daniel Koch in Kiew einen Kurs leiten sollen. Dieser wurde aber nach einem Befehl aus Washington kurzfristig abgesagt. Eine Kolumne.
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Das Wichtigste in Kürze
- Jede Nacht werden die Bewohner in Kiew durch den Luftalarm aufgeweckt.
- Der Stress sei den Menschen in den Gesichtern anzusehen.
- Eine Kolumne von «Mister Corona» Daniel Koch.
Eigentlich sollte ich in der zweiten Februarwoche in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, unterrichten. Aber der Kurs zur «Verbesserung der Überwachung von Krankheiten» wurde kurzfristig abgesagt.
Die Leidtragenden sind die Kursteilnehmer. Das sind Verantwortliche aus den verschiedenen «Oblasts», was in der Schweiz den Kantonen entspricht. Die Überwachung von Krankheiten ist kein Luxus, sondern ein kleiner Beitrag für die Gesundheit der Bevölkerung.
Russland tötet auch indirekt
Der von Russland gestartete Krieg tötet nicht nur mit den Raketen, Bomben und Kugeln, sondern auch indirekt.
Russland zerstört systematisch die Infrastruktur und zwingt die Bevölkerung ganzer Städte und Landstriche zur Flucht. Zum unsäglichen Leid kommt eine zunehmende Armut hinzu.
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Armut ist die Grundlage vieler Krankheiten: Die Ernährung, auch der Kinder, wird mangelhaft, Infektionskrankheiten wie die Tuberkulose nehmen zu. Die Überwachung dieser Situation zu verbessern, ist das Ziel des Kurses.
Das ist dem neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump trotz Verträgen offensichtlich egal. Sonst hätte er nicht abrupt das Funktionieren der USAID-Behörde gestoppt.
Welches Amerika meint Trump?
Wenn man weltweit die Mittel der grössten Hilfs- und Entwicklungsorganisation einfach einstellt, dann spart man Geld auf dem Rücken der Ärmsten. Und von Kindern, die keine Chance haben, gesund heranzuwachsen.
«Make America great again» tönt in meinen Ohren zynisch.
Welches Amerika meint Trump denn wirklich? Das Amerika, das Sklaven aus Afrika importierte – und bis heute sein Rassismus Problem nicht in den Griff bekommt?
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Glaubt Trump denn wirklich, dass er der Welt den Frieden bringen kann, indem er Recht und Gerechtigkeit, auch das internationale Völkerrecht einfach ignoriert? Glaubt er wirklich, dass es den Menschen im Nahen Osten besser gehen wird, wenn er Palästinenser einfach deportiert?
Natürlich töne ich frustriert. Auch, weil der Kurs in der Ukraine abgesagt wurde.
Letztes Jahr konnten wir mit der Unterstützung der USAID drei Kurse durchführen. Unsere ukrainischen Partner und Spezialisten investierten mit viel Enthusiasmus und Energie in die Vorbereitung des neuen Kurses für 2025.
Stress in den Gesichtern sichtbar
Dies, obwohl die Arbeitsbedingungen immer schwieriger wurden.
In Kiew gibt es keine Nacht mehr, in der die Bewohner durchschlafen können. Jede Nacht werden sie durch den Luftalarm aufgeweckt.
Der Stress und Schlafmangel war bei allen Videokonferenzen in den Gesichtern der Mitarbeiter sichtbar.
Rakete schlug neben Hotel ein
Aber auch die Explosion einer russischen Rakete am 20. Dezember hinderte uns nicht daran, am Kurs weiterzuarbeiten.
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Sie schlug neben dem Hotel auf der Strasse ein, in dem wir letztes Jahr zusammen mit den dreissig Teilnehmern untergebracht waren.
Die Vorbereitungen für den diesjährigen Kurs waren fast abgeschlossen, die Reise war gebucht – aber der Befehl aus Washington hat alles gestoppt.
Echte Demokratie propagiert keine Feindbilder
Wie es jetzt weiter geht, wissen wir nicht. Ich kann nur hoffen, dass die Ukrainer sich nicht verraten und im Stich gelassen fühlen. Und dass ein Ausweg aus dieser Situation gefunden wird.
Natürlich wäre ein gerechter und dauerhafter Frieden in der Ukraine für alle das Beste. Aber ein Frieden, der nur die Machtgelüste dreier alter Herren, die die Welt beherrschen wollen, befriedigt, ist keine Lösung.
Der selbstherrliche Populismus, der zurzeit das politische Weltgeschehen beherrscht, ist nur vordergründig demokratisch. Eine echte Demokratie propagiert nicht Feindbilder, sondern Respekt!
Gewaltentrennung akzeptieren
Die Mehrheit in einer echten Demokratie will nicht Minderheiten unterdrücken und ausradieren, sondern schützt sie.
Ein wirklich demokratisches Land respektiert die Gewaltentrennung und fördert den Rechtsstaat.
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Es stärkt die Institutionen, wie eine unabhängige Justiz und fördert eine echte Presse und Meinungsfreiheit, die nicht darin besteht, unkontrolliert Lügen, Hass und Gewalt zu propagieren.
Eine wahre Demokratie, auch wenn sie eine Weltmacht ist, respektiert das Selbstbestimmungsrecht der anderen Länder.
Die Welt ist kein Bazar
Die Mächtigen dieser Welt sollten nicht vergessen, dass die UNO nach dem Zweiten Weltkrieg von den Staaten gegründet wurde, um den Weltfrieden zu erhalten.
Man erreicht dieses Ziel nicht, indem man die Internationalen Organisationen ignoriert und schwächt – oder sogar abschaffen will.
Die Welt ist kein Bazar, auf dem man den Frieden mit einem «Deal» kaufen kann.
Trump hat auch viel Verantwortung
Auch in den USA wird kein goldenes Zeitalter beginnen, in dem der Präsident einigen Superreichen noch mehr Gewinn garantiert – und dabei den Rest der Welt in Ungerechtigkeit und faschistoiden Strukturen versinken lässt.
Donald Trump, als Präsident der USA, hat sehr viel Macht. Er hat aber vor allem auch unheimlich viel Verantwortung. Dass er dieser Verantwortung gerecht wird, das muss er jetzt beweisen.
Zum Autor: Daniel Koch war zwischen 2008 und 2020 Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Er ist der Öffentlichkeit als «Mister Corona» bekannt und schreibt nun regelmässig Kolumnen auf Nau.ch. Koch lebt im Kanton Bern und hat im letzten Jahr die Ukrainerin Natalia geheiratet.