«Dank Xherdan Shaqiri hat albanische Kultur Platz in der Schweiz»
Bei Xherdan Shaqiri scheiden sich die Geister. Unsere neue Kolumnistin Shqipe Sylejmani mag Shaq – und schreibt ihm vor dem Wales-Spiel einen Liebesbrief.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz und ihre ruppige Beziehung zu Xherdan Shaqiri.
- Die prägende Rolle des Mittelfeldspielers in der Integration.
- Heute spielt Shaq an der EM gegen Wales (15 Uhr).
Kennen Sie das? Sie sitzen in einer Beiz und hören am Nachbartisch wieder dieselbe alte Leier über unsere Fussballnationalmannschaft – «keine richtigen Schweizer!», «singen die Hymne nicht!», «arrogant!», ertönt es dann.
Besonders zu Liverpool-Ass und Nati-Spieler Xherdan Shaqiri scheint die Schweiz eine sehr ruppige Beziehung zu haben.
Doch wieso eigentlich? Denn sprechen wir über seine Leistungen, können wir Shaq-Attack nichts vormachen: er ist und bleibt der wohl beste Linksfuss Liverpools und vor allem eins der begnadetsten Talente des Schweizer Fussballs.
Aufgewachsen in Augst (BL), wirbelte das junge Supertalent aus bescheidenen Verhältnissen den lokalen Fussball auf, bis sich die grossen namhaften Klubs um ihn rissen.
Fans nennen Xherdan Shaqiri liebevoll Kraftwürfel
Xherdan wusste schon damals auf dem Feld seine Kollegen mitzuziehen, zu zaubern und mit seiner geballten Kraft den Unterschied in einem Spiel zu machen – nicht umsonst nennen ihn seine Fans noch heute oft liebevoll «Kraftwürfel».
Doch nicht nur auf dem Platz, sondern besonders daneben hat Xherdan Shaqiri vieles für die Schweiz und ihre Bevölkerung erbracht: denn wer Mittelfeldspieler rein für sein fussballerisches Talent schätzt, weiss nicht um den grandiosen Wert seiner Laufbahn.
Eine Entscheidung mit Folgen
Denn plötzlich kam es: das Aufgebot der Schweizer Fussballnationalmannschaft. Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Valon Behrami und Co. entschieden sich für die Schweiz – und das gleich zweimal.
Denn nachdem sie Albanien absagten, folgte das Angebot aus dem frisch von der FIFA und UEFA anerkannten Kosovo.
Doch die Jungs blieben der Schweiz treu – unter anderem auch, weil sie ihrer neuen Heimat etwas zurückgeben wollten, wie Xherdan Shaqiri dies immer bekräftigte.
Für jemanden wie mich, aus einer Generation stammend, die albanische Namen in keinem Berufsfeld mit Aspiration sah, war diese Entscheidung eine Wende. Wenn nun die Schweiz Fussball spielte, sah ich darin die Gesellschaft der Schweiz verkörpert.
Diese Entscheidung setzte ein Zeichen und führte dazu, dass eine Brücke für die jungen Generationen zwischen den beiden Nationen geschlagen wurde, die sich bis in den Regionalvereinen durchzog.
Schweizer Fahnen von Prishtina bis Gjilan
Nun hatte die albanische Kultur einen Platz in der Schweiz gefunden und selbst in den Spielen der beiden Länder gegeneinander wurde stets gross gefeiert – denn die Schweiz wurde endlich auch zu unserer Mannschaft.
Und sieht man heute im Kosovo in den Strassen von Prishtina bis Gjilan noch Schweizer Fahnen wehen, dann aufgrund des grossen Stolzes der Kosovaren, dass die Kinder ihrer Diaspora eine Bereicherung für das Land wurden, das ihre Bevölkerung einst aufnahm.
Xherdan Shaqiri mag für viele nur ein Fussballspieler sein. Für mich jedoch ist er das Gesicht vom Beginn einer Integration, die nicht nur den Sport prägte, sondern die Gesellschaft.
Auf ins Halbfinale
Mit der anstehenden Europameisterschaft steht auch die Schweizer Nati wieder vor einer grossen Herausforderung. Vielleicht etwas blauäugig sehe ich die Schweiz doch schon im Halbfinale kicken. Wieso? Weil ich weiss, woher unsere Jungs kommen. Welche Hürden sie durchlaufen mussten, um heute das rote Trikot tragen zu können. Und weil wir Xherdan Shaqiri haben.
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Shqipe Sylejmani ist neu als Kolumnistin bei Nau.ch tätig, wo sie über das Leben in zwei Welten schreibt. Die in Prishtina geborene Journalistin und Kommunikationsberaterin veröffentlichte im Oktober 2020 ihren ersten Roman «Bürde & Segen».