Die Schwulen sind schuld – Queere zittern in Russland!
Wer in Russland die Regenbogenflagge irgendwo postet, kann verhaftet werden. Queere Menschen zittern. Eine Kolumne von Verena Brunschweiger.
Das Wichtigste in Kürze
- Erdogan leitet in der Türkei Schritte gegen Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle ein.
- In Russland poltert Wladimir Putin gegen Homosexuelle.
- Und in Uganda gilt die Todesstrafe für Schwule.
- Was ist bloss los? Eine Kolumne von Verena Brunschweiger.
Der türkische Präsident Recep T. Erdogan ruft für 2025 das Jahr der Familie aus. Offenbar nicht zuletzt inspiriert durch Wladimir Putins Kreuzzüge gegen «gefährliche Propaganda».
Er meint LGBT-Inhalte und poltert vor allem gegen Homosexuelle, denen er eine grosse Schuld daran zuweist, dass weniger Kinder geboren werden.
Queere Menschen in Russland zittern
2024 war tatsächlich das Jahr, in welchem zahlreiche russische Leute inhaftiert oder mit Bussgeldern bedacht wurden, weil sie die Regenbogenflagge irgendwo gepostet hatten!
Queere Menschen in Russland zittern, da Experten und Expertinnen sogar eine noch weitere Verschlimmerung der Situation für 2025 prognostizieren.
Zum Gebären genötigt
Ich habe hier bereits darüber berichtet, dass Putin erst Ende des Jahres 2024 allen Ernstes durchgesetzt hat, was ihm so wichtig ist. Damit für seine Kriege das Kanonenfutter nie ausgeht, müssen russische Frauen mit allen Mitteln zum Gebären genötigt werden, wozu auch das Verbot des Bewerbens kinderfreien Lebens gehört.
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, dass Leute wie der russische Diktator stets diese zwei Gruppen maximal hassen: kinderfreie Menschen, vor allem natürlich Frauen, und Homosexuelle, die sich nicht vor Unfällen wie ungewollten Schwangerschaften hüten müssen (die Glücklichen!).
Nicht umsonst bietet die englische Sprache das Wort «Breeder» («Züchter»), mit dem manche Queere humorvoll Heterosexuelle bezeichnen. Aber auch Eltern, Personen also, die sich reproduzieren, wenn sie ungeschützten Sex praktizieren.
Radikal konservative «Familienkonferenzen» haben Tradition
Im März 2019 hatte Matteo Salvini, der damalige Chef der italienischen Lega-Nord, an einer der grössten Zusammenkünfte von Anti-LGBT- und Abtreibungsgegnern in Verona teilgenommen.
Dort wurden auch Gefängnisstrafen für Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch hatten, gefordert, und Homosexualität mit Seuchen und Krankheiten verglichen.
Homosexuelle selber wären nicht besser als Mitglieder der Terrorgruppe «Boko Haram», hiess es.
Damals ging ein Foto der beiden Studentinnen Gaia und Matilde um die Welt. Die zwei küssten sich, nachdem sie sich neben Salvini positioniert hatten.
Salvini macht bekanntlich besonders gern Selfies mit jungen Frauen, die er sich heterosexuell wünscht. Und natürlich erpicht darauf, von allen möglichen Typen als Sexualobjekt benutzt zu werden.
Wenn wir noch weiter zurückgehen, begegnen wir den wegen Homosexualität Verurteilten, die in Konzentrationslagern inhaftiert waren, wo sie oft in die Kategorie «Berufsverbrecher» (!) gesteckt wurden.
Todesstrafe für Schwule in Uganda
Wieder einmal fällt die eurozentristische Arroganz auf, wenn 2025 darüber palavert wird, wie progressiv «wir hier» doch schon wären, während in Ländern wie Uganda Schwulen noch die Todesstrafe drohe.
Ghanas neuer Präsident Mahama regte jüngst an, homophobe Lehrplaninhalte in Schulen verpflichtend zu machen. Genau das, was auch Ron DeSantis in Florida (und der deutschen AfD) gefallen würde.
Keine Satire, sondern amerikanische Politik
Ja, jener Gouverneur im Osten der USA, der soeben Scott Yenor in eine einflussreiche Position hievte. Yenor wagt laut auszusprechen, dass Frauen statt zu studieren lieber heiraten und Kinder bekommen sollten. Dann wären auch gleich mehr Studienplätze für die tollen, ohnehin intelligenteren Männer da.
All das ist keine Satire, wohlgemerkt, sondern reale amerikanische Politik.
Homosexuelle sollen in «Umerziehungslager»
Es lohnt sich in diesem Kontext, sich mal zu erinnern, wie kurz die Spanne ist, die uns von der Zeit trennt, in der auch in Europa Homosexualität kriminalisiert war.
In den USA gibt es auch heute noch Republikaner, die sich dafür aussprechen, junge Homosexuelle in «Umerziehungslager» oder in die Psychiatrie einzuweisen.
Und prompt dekretierte Trump gleich zu Beginn seiner erneuten Regentschaft, dass Diversitätsprogramme überflüssig wären – und dass das Zementieren der binären Matrix, also zwei und nur zwei Geschlechter, zentral sein müsse.
Was können wir tun?
Ich finde es entsetzlich, so wenig tun zu können, um queeren und kinderfreien Menschen in Russland zu helfen. Aber das Mindeste, das wir alle tun können, ist, sich dafür einzusetzen, dass es im deutschsprachigen Raum niemals dazu kommt, dass diese Gruppen so stigmatisiert und kriminalisiert werden wie andernorts.
Dazu müssen wir uns gegen den Rechtsruck stemmen, denn nationalistische Ideologien beinhalten immer reaktionäre Welt- und Geschlechterbilder, die Menschen einschränken und degradieren.
Toxische Männlichkeit, verkörpert von Putin und seinesgleichen, zeichnet sich durch pathologische Abwertung von als minderwertig erachteten Gruppen aus. Seien es Flüchtende, Homosexuelle oder Kinderfreie.
«Richtige Männer» sind eben nicht schwul. Sie dienen dem Vaterland, verachten und schwängern Frauen, töten Tiere und sehen keinerlei Problem in ihrer generellen Gewaltbereitschaft. Dagegen müssen wir aktiv werden!
Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.