Eltern sollten ihre Kinder möglichst frühzeitig lehren, sich im öffentlichen Raum angemessen zu verhalten, findet Autorin Verena Brunschweiger in der Kolumne.
Verena Brunschweiger Sex
Autorin Verena Brunschweiger schreibt Kolumnen auf Nau.ch. - Juliane Zitzlsperger/Büchner-Verlag

Das Wichtigste in Kürze

  • Die deutsche Autorin Verena Brunschweiger ist «kinderfrei».
  • Auf Nau.ch schreibt Brunschweiger regelmässig Kolumnen.
  • Familien mit Kleinkindern hätten an einem Flughafen nichts verloren, findet Brunschweiger.
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Kaum ist der Sommer da, schon liest man überall Reise-Artikel. Zum Teil mit nützlichen Verhaltenstipps wie «Legen Sie Ihre nackten Füsse nicht einem Mitreisenden vors Gesicht» oder «Packen Sie Proviant ein, das nicht stinkt».

Hier werden noch alle mit an Bord sein, was die Sinnhaftigkeit solcher Regeln betrifft.

Auffallend allerdings war hier – wie bei so gut wie jedem anderen Thema auch – die nahezu völlige Abwesenheit von Regeln für Eltern, die mit kleinen Kindern unterwegs sind. Als stünden diese irgendwie über dem Gesetz und hätten stets, prinzipiell und überall hundertprozentige Narrenfreiheit.

Sollen Familien mit Babys im Flugzeug in die Ferien reisen?

Was Familien mit zum Teil zahlreichen Kleinstkindern am Flughafen verloren haben, erschliesst sich einem nicht.

Eltern belasteten die Umwelt ohnehin schon maximal durch das Erschaffen neuer Konsumenten. Dass sie selbige Umwelt, die sie doch für die angeblich geliebten Kleinen besonders dringend bräuchten, durch Fliegen noch mehr ruinieren, ist ihnen offenbar völlig egal.

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Grosse Langeweile: ein Kind auf einem Flug. - pexels

Dass sie diese zu Flugreisenden erziehen, ebenfalls. An Bord wählt man dann selbstverständlich nicht das vegetarische Sandwich. Bloss keinen Funken Umweltbewusstsein!

Es interessiert die Eltern nicht

Dass sie den Kindern selbst damit keinerlei Gefallen tun, interessiert Eltern genauso sehr: rein gar nicht. «Maman, j’ai peur!», heulten diejenigen, die schon sprechen konnten.

Spars dir, Kleiner. Deine Mama juckt nicht, dass du Angst hast, sonst hätte sie dir diesen Flug nämlich nicht zugemutet! (Ich selbst hörte diese wirklich markerschütternden Angstschreie auf einem Flug nach Frankreich – der 2. Flugreise in meinem Leben (und das mit 43!)) Selbst für Erwachsene ist eine Reise dieser Art eine echte Belastung, gesundheitlich und psychisch, aber warum Rücksicht nehmen auf die eigenen Kinder oder noch verrückter – auf unschuldige Dritte?

Kinderfreie Zonen im öffentlichen Verkehr

Kein Wunder, dass sich gemäss einer Studie (durchgeführt von Redfield and Wilton Strategies) mit 1500 Beteiligten fast 60 Prozent der US-Amerikanerinnen und Amerikaner für kinderfreie Zonen im öffentlichen Verkehr aussprachen und es als «Positive Thing» bezeichneten.

Der Artikel 3 Airlines Now Offer Child Free Zones As Demand Continues To Grow auf der Seite TravelOffPath berichtete 2023, dass Corendon einen Bereich für Erwachsene reservieren möchte.

Verena E. Brunschweiger.
Autorin Verena E. Brunschweiger. - zvg

Nicht mal komplett kinderfreie Flüge und mit Aufpreis für die, die sich ruhig und passend verhalten, aber dennoch toben schon wieder die zu erwartenden Stürme der Entrüstung …

Dabei schrieb die grandiose Oriana Fallaci schon 1979 über einen Flug: «Bambini che correvano su e giù disturbando.» («Un uomo», S. 270, deutsch: «Kinder, die störend herumrannten.») Und Maryse Condé sekundiert 2003: «Un enfer, ce voyage! Des bébés pleurant. Des enfants courant dans les allées.» («Histoire de la femme cannibale», S. 186, deutsch: «Eine Hölle, diese Reise! Weinende Babys. Kinder, die die Gänge entlang rannten.»)

Dabei war das noch nichts verglichen mit 2024!

Ein Flughafen ist ein Kinderhort und ein Flugzeug ein Kindergeburtstag. Und wehe denen, die nicht mitfeiern. Diesen Spassbremsen heizt das Personal gehörig ein. Breeder Pleasing (Eltern Honig ums Maul schmieren) in hohem Mass muss schon sein, schliesslich geht es um die Passagiere von morgen. Da kann man die heutigen schon mal vergraulen, indem man darauf hinweist, dass Babys eben gern stundenlang durchheulen …

Europa sollte sich an Südkorea orientieren

Es muss also nicht nur darum gehen, partiell kinderfreie Flüge oder Bereiche anzubieten. Air Asia und die vielen kinderfreien Areale in Südkorea sind ein wunderbares Vorbild, an dem sich Europa orientieren sollte.

Auch und gerade in einer Zeit, in der mehr und mehr Menschen, die mit Kindern arbeiten, privat childfree werden – das sollte Eltern mal zu denken geben.

Und in der Tat, ein Baby ist ein Baby, will heissen, es brüllt. Was also hat es in einem Flugzeug verloren?

Kinder schreien naturgemäss mehr im Flugzeug

Kürzlich erklärte eine Kinderärztin im «Spiegel»-Interview, warum Kinder naturgemäss in Flugzeugen mehr schreien (da könnte man allerdings auch mit gesundem Menschenverstand draufkommen, warum das wohl so ist, dazu muss man keine Kinderärztin sein).

Grössere Kinder könnte man theoretisch erziehen, aber das würde ja Zeit und Mühe kosten, die man auch einfach chillig mit seinem Handy verbringen kann.

Abschliessend bleibt also nur noch einmal die Frage, warum manche Eltern ihre Kinder absichtlich in eine traumatisierende, angstauslösende Situation bringen, nur weil sie sich gern an einem Pool in einem weiter entfernten Gebiet amüsieren wollen.

Und natürlich der Wunsch, dass sich Eltern aufraffen, ihren Kindern möglichst frühzeitig beizubringen, wie man sich im öffentlichen Raum angemessen benimmt.

Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.

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