Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP) über Begrenzungsinitiative

Das Mass ist voll! Ein Kommentar von CVP-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter zur Begrenzungsinitiative.

Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP)
Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL), Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Volksinitiative für eine massvolle Zuwanderung ist anmassend, so Schneider-Schneiter.
  • Personen aus dem EU-Raum tragen die Schweizer Wirtschaft entscheidend mit.

Das neuste SVP-Initiativchörbli überquillt vor wurmstichigen Argumenten. Die Begrenzungsinitiative überschreitet einmal mehr jede Grenze , v.a. diejenige der Sachlichkeit.

Die Initianten wollen das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU abschaffen. Sie sprechen keine Sekunde lang darüber, wie wichtig dieses für die Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft ist.

Dem Initiativtext entnehmen wir, es sei der Personenfreizügigkeit zu verdanken, dass einheimische Arbeitsplätze gefährdet seien, ältere Leute ihre Stelle verlören, Wohnraum knapper würde, die Mieten und Hauspreise stiegen, Züge, Strassen und Schulen unsicherer würden und über die Hälfte der Sozialhilfebezüger Ausländer seien.

SVP vergleicht Äpfel mit Birnen

Da wird so ungefähr alles ins Chrättli gelegt, was bei Wutbürgern für einhelliges Kopfnicken sorgt. Die Initianten tun sich sichtlich schwer damit, Äpfel von Birnen zu unterscheiden. Als Bauerntochter kann ich da gerne etwas nachhelfen:

Erstens: Wir sprechen über die Personenfreizügigkeit mit der EU. Nicht über Asylbewerber oder Flüchtlinge, nicht über Nordafrika oder Eritrea. Ausserdem hat sich die Einwanderung der Arbeitnehmenden aus der EU in den letzten fünf Jahren halbiert.

Zweitens: Die Schweiz braucht Fachkräfte aus dem Ausland. Nicht erst seit der Personenfreizügigkeit mit der EU, sondern schon immer. Und nicht nur Grosskonzerne, sondern vor allem auch Spitäler, Pflegeinstitutionen, KMU, wie das Baugewerbe, Hotels oder Restaurants würden ohne ausländische Arbeitskräfte gar nicht funktionieren. Die Landwirtschaft übrigens auch nicht: Viele Betriebe überleben nur, weil sie Hilfskräfte aus Polen, Rumänien oder Bulgarien engagieren, die ihnen die Tiere versorgen, den Krautstil ernten und die Güllegrube leerpumpen.

Drittens: Die Schweiz profitiert seit 15 Jahren von Vorteilen der Personenfreizügigkeit mit der EU. Für die Unternehmen hat sich die Suche nach Talenten vereinfacht. Und seit 2010 wurden 600‘000 Stellen neu geschaffen. Die inländische Erwerbsquote ist seit Anfang des Jahrzehnts gestiegen.

Viertens: Die Schweizer Einkommen sind seit 2002 um durchschnittlich 1,1% gewachsen. Das Lohngefälle zwischen europäischen Einwanderern und hiesigen Arbeitnehmenden ist bei vergleichbaren Rahmenbedingungen nach wie vor unbedeutend.

Fünftens: In der Schweizer Wirtschaft gehen in den nächsten zehn Jahren eine Million Menschen in Rente und nur eine halbe Million Erwerbstätige rücken nach. Damit fehlen etwa 500'000 Personen. Jene Unternehmer, die auch in Zukunft bestehen wollen, werden ihren älteren Schweizer Mitarbeitern Sorge tragen.

Wir sägen am Ast auf welchem wir sitzen

Die «Volksinitiative für eine massvolle Zuwanderung» ist anmassend. Natürlich wollen wir die Einwanderung gezielt steuern und kontrollieren. Aber das richtige Mass dafür finden wir nur, wenn wir differenzieren. Zwischen den verschiedenen Arten von Einwandernden und zwischen den Aufgaben, die daraus entstehen.

Personen aus dem EU-Raum, die bei uns einer Arbeit nachgehen, tragen die Schweizer Wirtschaft entscheidend mit. Ausserdem sind sie massgeblich an der Finanzierung unserer Altersvorsorge beteiligt. Sie sind Teil unseres Wohlstands und darum auch Teil unserer Gesellschaft.

Wenn wir die Personenfreizügigkeit zur EU aufkündigen, kappen wir die für die Schweiz überlebenswichtige Mobilität von Personen, Talenten und Erfahrungen. Und wir schneiden uns den bilateralen Weg selber ab.

Wir sägen am Ast auf welchem wir sitzen…

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