Filmgesetz geht laut Jungfreisinnigen «am Konsumenten vorbei»
Am 15. Mai 2022 stimmen wir über das revidierte Filmgesetz ab. Es ist konsumentenfeindlich, ungerecht und bevormundend. Ein Gastbeitrag der Jungfreisnnigen.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 15. Mai kommt das revidierte Filmgesetz, auch als «Lex Netflix» bekannt, vor die Urne.
- Matthais Müller von den Jungfreisinnigen Schweiz argumentiert im Gastbeitrag für ein Nein.
Internationale Streaminganbieter wie Netflix oder Disney+, aber auch inländische Streaminganbieter – betroffen sind Swisscom, UPC/Sunrise, oneplus, usw. – müssen mit dem revidierten Filmgesetz jährlich mindestens vier Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttoumsatzes in das Schweizer Filmschaffen investieren; andernfalls müssen sie eine entsprechende Ersatzabgabe an das Bundesamt für Kultur leisten.
Zudem werden die betreffenden Streaminganbieter verpflichtet, mindestens 30 % ihres Filmkataloges mit europäischen Filmen zu füllen. Diese müssen von Gesetzes wegen zudem besonders gekennzeichnet und jederzeit gut auffindbar sein.
Zur Investitionsverpflichtung: Diese kommt einer Filmsteuer gleich. Die hiesigen und ausländischen Streaminganbieter werden gezwungen, vier Prozent ihres in der Schweiz erwirtschafteten Bruttoumsatzes (sic! – nicht Gewinn) den Schweizer Filmschaffenden abzuliefern.
Anders als heute haben sie keine freie Wahl mehr; sie können sich der Investitionsverpflichtung nicht entziehen. Mit dem revidierten Filmgesetz werden also private Mittel zwangsweise entzogen und umverteilt.
Kosten vom Filmgesetz auf Konsumenten abwälzen
Das Bundesamt für Kultur geht von jährlichen Kosten in Höhe von 20 bis 30 Millionen Franken aus. Mit Sicherheit werden die Streaminganbieter diese hohen Kosten auf uns Konsumenten abwälzen.
Die unmittelbare Folge: Wir werden alle höhere Abo-Gebühren für Netflix, Disney+ etc. bezahlen müssen. Und das ist unfair! Bereits heute fliessen nämlich rund 140 Millionen Franken aus öffentlicher Hand in das einheimische Filmschaffen.
Allein Bund, Kantone und Gemeinden fördern mit unseren Steuergeldern den Schweizer Film jährlich mit rund 84 Millionen Franken (+50 % seit 2010). Auch die SRG steckt – wohlgemerkt mit unseren Gebührengeldern – rund 50 Millionen Franken pro Jahr in den nationalen Filmtopf. Es geht nicht an, dass wir Konsumenten via über unsere Abonnements nun ein drittes Mal erheblich zur Kasse gebeten werden.
Vielmehr müssen die bestehenden Fördermittel, die mittels Steuergelder erbracht werden, sorgfältiger eingesetzt werden. Nur wenige Beispiele mögen dies veranschaulichen: Durchschnittlich schauen nur gerade 2600 Personen einen Schweizer Film im Kino.
Pro Kinoeintritt bekommen unsere Filmschaffenden eine (subventionierte) Hunderternote. Der Eigenwirtschaftlichkeitsgrad eines Schweizer Kinofilms liegt bei 1 %. Angesichts dieser Zahlen braucht es bei bestem Willen nicht mehr Subventionen.
Schweiz schiesst mit Filmgesetz übers Ziel hinaus
Der Blick auf das europäische Umland offenbart zudem, dass die Schweiz mit dem revidierten Filmgesetz einmal mehr völlig über das Ziel hinausschiesst. Die Befürworter des konsumentenfeindlichen Filmgesetzes argumentieren, die Filmsteuer sei ihrer Höhe nach (4 %) absolut moderat ausgefallen; Länder wie Frankreich (bis 25 %) und Italien (bis 10 %) würden viel höhere Filmsteuersätze verlangen.
Zudem würde die Mehrheit der EU-Länder vergleichbare Pflichten kennen. Das ist klar irreführend bzw. falsch. Frankreich und Italien liegen auf Platz 1 und 2, was die Höhe der Filmsteuer angeht.
Ausweislich der Berichte des Bundesamtes für Kultur kennt mehr als die Hälfte der europäischen Länder überhaupt keine Filmsteuer, darunter Grossbritannien, Österreich, Finnland, Schweden und Norwegen – Länder, die qualitativ hochstehende und hochattraktive Filme und Serien produzieren.
Die übrigen Länder in Europa kennen im Übrigen viel tiefere Filmsteuersätze; der Durchschnitt liegt bei zirka 2 %. Die Filmlobby hat bis vor Kurzem zwar dreist das Gegenteil behauptet. Auch der Bundesrat hat im Abstimmungsbüchlein eine falsche Grafik abdrucken lassen, die suggerieren soll, dass die 4 %-Filmsteuer, wie sie das Parlament zu einführen beabsichtigt, absolut Standard sei in Europa.
Filmgesetz: Abstimmungsbüchlein nicht korrekt
Doch zum Glück haben die aufwendigen SRF-Arena-Recherchen nun ans Licht gebracht, dass das nicht stimmt bzw. das Abstimmungsbüchlein an dieser Stelle faktisch falsch ist. Wir haben infolgedessen Abstimmungsbeschwerde erhoben und fordern den Bundesrat auf, die Bevölkerung über den wahren Sachverhalt aufzuklären, nämlich dass die überwältigende Mehrheit in Europa entweder keine oder viel tiefere Filmsteuern kennt als die Schweiz.
Jedenfalls zeigt der Vergleich mit den Verhältnissen im europäischen Umland, dass die neue 4 %-Filmsteuer für Filme in der Schweiz völlig unverhältnismässig und letztlich zum Schaden von uns Konsumenten ist.
Noch absurder als die Filmsteuer ist die Regelung, dass Streaminganbieter neu mindestens 30 % ihres Filmangebotes für europäische Filme reservieren und diese Filme gar besonders kennzeichnen müssen.
Die Filmquote ist auf immenses Drängen der hiesigen Filmschaffenden entstanden, die zur Sicherung und Stärkung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen das sich selbst zuerkannte «kulturelle Mandat» heranziehen.
Filmgesetz nicht der richtige Weg zum Ziel
Durch die Verbindung mit dem Wert der «kulturellen Vielfaltssicherung» – so das Ziel der Filmschaffenden – soll verunmöglicht werden, Zweifel an der Legitimation der Zielsetzung der Regelung zu äussern, denn gegen die Förderung europäischer Produktionen und gegen die Sicherung der kulturellen Vielfalt kann ja niemand etwas einzuwenden haben! Allein: Der gewählte protektionistische Ansatz ist zur Zielerreichung gänzlich ungeeignet!
Die Filmschaffenden stören sich erklärtermassen daran, dass auf den Streaming-Plattformen zu viel «US-amerikanischer Einheitsbrei» zu sehen sei. Eine Filmquote von mindestens 30 % sorge endlich dafür, dass die kulturelle Vielfalt gesichert bleibe.
Diese Einstellung ist – gelinde gesagt – an Arroganz kaum zu überbieten. Die aktuelle Situation, dass europäische Werke kaum und schweizerische Produktionen noch weniger auf Akzeptanz stossen, widerspiegelt nur, was die Zuschauer wollen.
Der Tagesanzeiger schrieb im Zusammenhang mit Schweizer Werken auf Streaming-Plattformen: «Schweizer Filme auf Netflix und anderen Abo-Streamingdiensten interessieren hierzulande niemanden». Die neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik belegen: Von sämtlichen Filmen, die in der Schweiz nach dem Kinostart auf Netflix und Co. aufgeschaltet wurden, stammte im Jahr 2020 so gut wie jeder zehnte (präzis: 9,4 %) aus der Schweiz.
Filmquote ist protektionistisch
Allerdings ist die tatsächliche Nutzung so irrelevant, dass sie in der Statistik des Bundes gar nicht mehr auftaucht – es sind gerade mal 0,4 %. Diese Realität wollen die hiesigen Filmschaffenden aber nicht akzeptieren.
Deshalb haben sie im Parlament vehement für eine Filmquote von mindestens 30 % für europäische Werke geweibelt; Pate für diese Filmquote stand eine entsprechende Richtlinie in der Europäischen Union. Diesen Wunsch hat das Parlament dienstfertig erfüllt; Gegenvorschläge, die eine tiefere Filmquote verlangten, wurden in Bausch und Bogen abgelehnt.
Angestrebtes Hauptziel der Filmquote ist – offenkundig – Protektionismus. Man erinnert sich unweigerlich an Pippi Langstrumpf: «Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.» Soviel ist aber gewiss: Eine Filmquote kann kein Nährboden sein für Kreativität und Innovation; sie fördert vielmehr eine Subventionsmentalität und keine leistungsfähige schweizerische Content-Industrie.
Allein die Qualität und die Nachfrage sind die richtigen Kriterien. Anhand dieser Kriterien sollen die Streaming-Anbieter die Werke in ihre Filmkataloge erfolgversprechend integrieren dürfen. Alles andere ist Anmassung.
Ebenso gewiss ist: Wir Konsumenten abonnieren Netflix etc., weil wir dort in erster Linie (süd-)amerikanische sowie asiatische Filme und Serien schauen wollen; das zeigen die Zahlen des Bundesamts für Statistik. Diese Filme und Serien würden jedoch der neuen 30 %-Filmquote zum Opfer fallen, mithin aus unseren Filmkatalogen entfernt. Auch das wäre unfair!
Filmgesetz ist «Betrug am Konsumenten»
Den Schweizer Filmliebhabern sei an dieser Stelle noch mit auf den Weg gegeben, dass Schweizer Filme und Serien rund um die Uhr, an jedem Kalendertag auf PlaySuisse, der Streaming-Plattform der SRG, geschaut werden können – und das erst noch kostenlos (freilich finanziert mit unseren Serafe-Gebühren)!
Um zu schliessen: Das revidierte Filmgesetz ist als das zu bewerten, was es ist: Ein Betrug am Konsumenten, ein Bruch mit liberalen Prinzipien. Der hiesigen Filmszene müsste begreiflich gemacht werden, dass eine Stärkung der schweizerischen bzw. europäischen Produktion langfristig nur über Qualität und Marketingkompetenz zu erreichen ist, was auch die Filmkatalog-Freiheit der Streaminganbieter unangetastet lassen würde. Eine leistungsfähige Industrie wird nie durch zusätzliche Steuern und Quoten geschaffen.
Am 15. Mai 2022 haben wir mit unserem Nein zum Filmgesetz die Gelegenheit, diese immer wieder aufs Neue bewiesene Erkenntnis zum Ausdruck zu bringen.