«Ich hoffe auf das Norwegen-Modell»

Hüseyin Aydemir
Hüseyin Aydemir

Bern,

Kolumnist Hüseyin Aydemir ärgert sich über FIFA-Machenschaften und hofft, dass die WM in Katar boykottiert wird – so wie es Norwegen fordert.

Hüseyin Aydemir
Hüseyin Aydemir ist Menschenrechtsaktivist, Satiriker und Networker. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Hüseyin Aydemir wohnt in Bern und gilt als bunter Hund.
  • Aydemir ist Menschenrechtsaktivist, Satiriker und Networker.
  • In seinem dritten Gastbeitrag auf Nau.ch liest er FIFA wegen der WM in Katar die Leviten.

«Endlich!», sind die Fussball-Romantiker*innen geneigt zu sagen. Im Schatten der Corona-Diskussionen und der Frage, ob das Schweden-Modell etwas taugt, wagte sich kürzlich das andere skandinavische Land Norwegen aus der Deckung – in einer weiteren brisanten Geschichte: Rekordmeister Rosenborg Trondheim fordert, nach einem Aufruf von Aufsteiger Tromsö IL, die Fussball-WM 2022 in Katar zu boykottieren.

Einen Schlussstrich müsse man ziehen, «dass Diktaturen Fussballturniere als Ware kaufen und ihre Unterdrückung reinwaschen können».

Die Spieler aus Norwegen (in der Mitte Erling Haaland) tragen vor dem ersten Quali-Spiel Shirts mit dem Text «Respect - On and off the pitch». Foto: Javier Fergo/AP/dpa
Die Spieler aus Norwegen (in der Mitte Erling Haaland) tragen vor dem ersten Quali-Spiel Shirts mit dem Text «Respect - On and off the pitch». Foto: Javier Fergo/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Und gestern zeigte die norwegische Nationalmannschaft deutlich, was sie von der WM in Katar hält.

Der Weltfussballverband FIFA, ein Verein mit Milliardenumsatz, schaffte es am 2. Dezember 2010 tatsächlich, die WM an diesen Terrorstaat zu vergeben.

Freuen Sie sich auf die Wüsten-WM in Katar?

Katar und Fussball? Ein Wüstenstaat, so klein wie Bern, ohne Fussballtradition und Stadien, soll das Riesending zwölf Jahre später richten?

Sepp Blatter.
Sepp Blatter und Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani, Emir von Qatar, WM-Vergabe 2022 in Zürich, am 10. Dezember 2010. - keystone

Ein Land, wo Frauen keine Rechte haben und Homosexuelle nur leben dürfen, wenn sie nicht geoutet sind? Wo Diktatur herrscht und die Medien genauso unterdrückt werden wie im komplett isolierten Nordkorea? Wo ausländische Sklaven eingeflogen werden, um all diese gigantischen Projekte zu bauen?

Handschellen klickten

Man musste wahrlich kein Prophet sein, um Verdacht zu schöpfen, dass da möglicherweise ein paar Öl-Dollars von A nach B transferiert wurden. Und siehe da: Wenige Jahre später klickten rund um den Globus die Handschellen oder flatterten Strafanzeigen in den Briefkästen diverser Herren. Häufigster Vorwurf: Bestechung.

Südafrika, Katar, Russland und sogar Deutschland gerieten in Verdacht, ein linkes Spiel getrieben zu haben. Neben dem damaligen Boss Sepp Blatter und anderen FIFA-Funktionären tauchten auch prominente Namen wie Franz Beckenbauer oder Michel Platini auf.

Sepp Blatter.
Hüseyin Aydemir: «Man musste wahrlich kein Prophet sein, um Verdacht zu schöpfen, dass da möglicherweise ein paar Öl-Dollars von A nach B transferiert wurden.» - keystone

Und während das FBI in den USA mit schwerem Geschütz auffuhr, hatte unser Bundesanwalt Michael Lauber nichts Besseres zu tun, als sich mit dem aktuellen FIFA-Chef Gianni Infantino mehrfach zu treffen.

Dabei wurde nicht nur vergessen, ein Protokoll zu führen. Nein, später wurden sogar Erinnerungslücken geltend gemacht, als diese Geheimtreffen rauskamen. Was am Ende den Kopf von Michael Lauber kostete. Einige Verfahren, wie die dubiose Vergabe der WM 2006 an Deutschland, wurden mittlerweile ad acta gelegt, weil verjährt ...

6500 Gastarbeiter mussten sterben

Man könnte jetzt noch Tausende Seiten über dieses mafiöse Verhalten aller Beteiligten schreiben. Es ist jedoch müssig, denn am Ende bleibt wie immer nur Ohnmacht übrig.

Den in Katar engagierten NGOs und Medienberichten zufolge mussten bisher 6500 Gastarbeiter qualvoll sterben, um all diese Stadien bei 50 Grad Hitze im Sommer zu bauen.

Fussballstadtion Katar.
Bau des Fussballstadion Lusail in Doha, Katar. - keystone

Dass die WM zum Schutz der Zuschauer und vor allem der Spieler in den Winter verlegt wird, ist einer dieser vielen zynischen Geschichten, die der heutige Fussball schreibt.

Dass Fussball eigentlich vor allem ein geniales Spiel ist, wurde von den verlogenen Unterstützern dieses Vergabeskandals, der – man muss es so sagen – in einen Massenmord mündete, ad absurdum geführt.

Bleibt es dabei, dass die WM in Katar stattfindet, wird unsere Generation Zeuge einer Propaganda-WM – wie damals die Olympischen Sommer- und Winterspiele 1936 im Hitlerreich.

Hoffen auf Ronaldo und Messi

Es bleibt also nur die Hoffnung, dass sich weitere Länder neben Norwegen, aber auch Superstars wie Ronaldo oder Messi einem Boykott anschliessen, um diese WM noch zu retten und in einem anderen Land stattfinden zu lassen. Das wäre ein Schlag in die Fresse dieses kaputten Systems.

Alternative Möglichkeiten gibt es genug. Wieso zum Beispiel nicht … Norwegen?

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