Ivette Djonova (FDP ZH): «Wieso stehen wir jeden Tag im Stau?»
Der Verkehr in Zürich verläuft oft nur zähflüssig. Für Ivette Djonova ist klar: Das Velo soll alle verdrängen. Dazu äussert sie sich im Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Ivette Djonova äussert sich im Gastbeitrag zur aktuellen Zürcher Verkehrssituation.
- Laut ihr werden die Verkehrsteilnehmenden zugunsten der Velofahrenden schikaniert.
- Sie fordert Lösungen, wovon alle Verkehrsformen profitieren.
Für die meisten Verkehrsteilnehmenden in Zürich läuft es im Verkehr zähflüssig. Velos quetschen sich auf zu engen Strassen neben Autos durch, der motorisierte Verkehr säumt sich zu lästigen Staus. Trams und S-Bahnen platzen am Feierabend aus allen Nähten. Kommt es zu einer unbewilligten Demonstration, geht schliesslich gar nichts mehr.
Das Resultat einer jahrelang verfehlten Verkehrspolitik und bewussten Abriegelungstaktik der Stadt Zürich. Doch auch die Bundesregierung darf nicht weiterhin tatenlos zusehen.
Das Velo soll alle verdrängen: Miteinander geht anders
Auf den ersten Blick wird klar, für die Stadt Zürich ist jedes Mittel recht, um Vorrang für Velos zu schaffen und den motorisierten Verkehr zu verdrängen.
Wer sonst von den Regelungen betroffen ist, geht dabei schnell unter. So auch die Frage, ob gewisse neue Regelungen Sinn machen oder nicht. Die Liste der Massnahmen der letzten Jahre liest sich wie ein Kriminalroman.
In unser aller Erinnerung ist der gescheiterte Testbetrieb an der Bellerivestrasse zwischen See und Opernhaus: Die Stadt Zürich versuchte einen Spurabbau von vier auf zwei Spuren zu erreichen, obwohl es bereits heute regelmässig zu Staus auf dieser Strecke kommt und die Sanierung erst für 2030 vorgesehen ist.
Die Kantonspolizei erteilte die nötige Bewilligung jedoch nicht. Der künstlich zu erzeugende Zusatzstau wurde verhindert.
Auf 50 Kilometern wird in der Stadt ein Netz von Velo-Vorzugsrouten geplant. Diese sind aufgrund der heutigen Situation auch nötig. Jedoch liegen vielen von diesen Projekten aufgrund Rechtsmitteln im Moment still.
Alleine gegen die Velo-Vorzugsroute Wollishofen sind fast 500 Einwendungen der Einwohnerschaft eingegangen, verübeln kann man dies nicht.
Über 100 Parkplätze sollen abgebaut werden und Eltern sorgen sich bei einer Umsetzung über die Schulwegsicherheit. Betagte und Mobilitätseingeschränkte erreichen ihre Wohnungen nicht mehr ohne Umwege, was auch für die Einsatzorte für Gewerbetreibende gilt. Eine Messung des effektiven Velo-Verkehrsaufkommens hat nie stattgefunden.
Wird der Verkehr nicht als Ganzes mit allen Teilnehmenden berücksichtigt, wird der Widerstand gegen solche Projekte künftig nicht abnehmen. Die Stadt muss bei Ihrer Planung alle Verkehrsteilnehmer als gleichberechtigt ansehen.
Unklare Ziele in der Verkehrsgestaltung
Der Tunnelblick auf das Velo führt zu Widersprüchen bei den Zielen der Stadt. So ist beispielsweise die Langstrasse neu auf wenigen Metern autofrei. Aber nur tagsüber. Ab 22 Uhr ist die Strasse für den motorisierten Verkehr dann wieder geöffnet und man geht von einem doppelten Verkehrsaufkommen aus – zulasten der Anwohnerinnen und Anwohner.
Da mit der Sperrung weder eine besondere Vereinfachung für Velos noch eine Verkehrsentlastung für das Quartier erreicht wird, ist fraglich, was das ursprüngliche Ziel der Sperrung überhaupt war.
Im Brunaugebiet wird der Schutz der Einwohnerschaft vor Durchgangsverkehr angeblich hoch gewichtet. Unter dem Vorwand der Verkehrsberuhigung im Quartier soll künftig ein Riegel bei der Autobahnausfahrt Brunau gesetzt werden.
Gemäss Verkehrsmessung handelt es sich jedoch bei 90 Prozent der Autos, welche diese Passage benutzen, um Ziel- und Quellverkehr. Das heisst um Einwohnerschaft oder Gewerbetreibende aus dem Gebiet und nicht um Schleichverkehr. Es gäbe hier somit gar nichts zu «berichtigen».
Der öffentliche Verkehr muss freie Fahrt haben
In mehreren Gemeinden des Kantons Zürich werden verstärkt Bestrebungen beobachtet, 30er-Zonen einzuführen. Dies kann eine sinnvolle Massnahme zur lokalen Verkehrsberuhigung sein. Bisher galt es jedoch als anerkannt, dass Strassen, die dem öffentlichen Verkehr dienen, von Tempo 30 nicht erfasst werden. Seit einiger Zeit versuchen manche Gemeinden auch auf den vom öffentlichen Verkehr befahrenen Strecken Tempo 30 einführen.
Dies geschieht beispielsweise mittels Tempo 30-Signalisationen oder baulichen Massnahmen wie Kaphaltestellen. Dies verlangsamt den öffentlichen Verkehr nicht nur erheblich, sondern es entstehen Mehrkosten, da die Takt-, Anbindungs- und Umsteigefrequenzen aufrechterhalten werden müssen.
Verkehrspolitik ist auch eine nationale Frage
Wenn man den Blick von der städtischen Politik wendet, ist der Verkehr im Kanton Zürich aber auch eine nationale Angelegenheit, der im eidgenössischen Parlament Nachdruck verliehen werden soll. Die Oberlandautobahn wird mit Rechtsmitteln seit Jahren verzögert.
Dadurch entstehen grosse Autokolonnen und Staus in Wetzikon und Hinwil. Die N1 ist zudem dringend auf 6 Spuren auszubauen, damit alle von der Ostschweiz in die Westschweiz und umgekehrt möglichst staufrei reisen können.
Aber auch Eisenbahnprojekte im Kanton sind vom Bund hinreichend zu finanzieren, beispielsweise der Ausbau des Bahnhofs Stadelhofen und des Brüttener Tunnels. Eine Umfahrung Olten wäre ebenso nötig, damit sich die Fahrzeiten zwischen Bern und Zürich reduzieren. Solche Massnahmen entlasten die Verkehrsachsen für alle und verkürzen die Reisezeiten im öffentlichen Verkehr.
Was ist zu tun?
Zum Verkehr in der Stadt Zürich gehören Privat-, Berufs- und Gewerbeverkehr, Betagte und Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Velos, motorisierter und öffentlicher Verkehr. Der Fokus rein auf das Velo führt zu Unmut bei allen Beteiligten und löst die Probleme nicht, welche umfassend und dringend angegangen werden müssten.
Die Stadt darf Zürich nicht zur autofreien Insel erklären. Der Verkehr verschwindet damit nicht, sondern wird auf die umliegenden Gemeinden verdrängt. Wichtige kantonale Transitstrassen dürfen nicht behindert werden. Strassen und Schienen sind politisch kein attraktives Thema, jedoch sind sie ein wichtiger Pfeiler für unseren Wohlstand.
Alle müssen ihren Beitrag leisten, auch wenn es politisch schmeichelhafter ist, sich auf die Seite der Mobilitätsverweigerung zu schlagen.
Zur Person: Ivette Djonova ist Präsidentin der FDP Zürich Kreis 2 und Nationalratskandidatin bei den Wahlen 2023.