Kathrin Heierli (Grüne): «Klimaneutralität bis 2040 ist zu wenig»
Bis 2040 soll die Stadt Zürich Klimaneutral werden. Im Gastbeitrag erklärt Kathrin Heierli (Grüne), weshalb das für unser Klima aber zu spät ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Kathrin Heierli (Grüne) kandidiert im Kreis 11 für den Zürcher Gemeinderat.
- Sie setzt sich für eine schnelle und soziale Klimapolitik ein.
- Warum die Klimaneutralität bis 2040 in Zürich zu wenig ist, erklärt sie im Gastbeitrag.
Der Zürcher Gemeinderat hat gerade das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 beschlossen. Als Junge Grüne bin ich sehr enttäuscht. Ist das der jugendliche Idealismus, der da spricht?
Im Gegenteil, es ist Dringlichkeit und Realismus betreffend der langsamen Entwicklung im Klimathema in der Vergangenheit, im Ausblick darauf, wie viel noch passieren muss und was dabei die Rolle der Stadt Zürich sein soll.
Als ich begann, mich für Klimapolitik zu interessieren, war Al Gores «Inconvenient Truth» immer noch das Standardwerk, das Kindern und Jugendlichen in der Schule gezeigt wurde. Heute ist der Film ziemlich veraltet, seine dringlichen Zukunftsszenarien sind sehr breit bekannt, und gleichzeitig erschreckend, denn an den zentralen Punkten, die er aufzeigt, ist noch viel zu wenig geschehen.
Statt verweigert wird jetzt gebremst
Die Grundlagen des menschengemachten Klimawandels sind mittlerweile sehr bekannt. Auch wenn noch nicht komplett, die Klimawandelverweigerung ist dem Bremsen gewichen. Die zwei momentan beliebtesten Taktiken: Das Abschieben von Verantwortung (Also: «China und die USA sollen zuerst etwas tun, die Schweiz kann eh nichts erreichen»), sowie das Verwässern und Verwirren der Klimapolitik durch Fokus auf Anreiz- und Marktpolitik und Hoffnung auf nebulöse, nahezu magische Innovationen. Simpler gesagt: Die SVP- und die FDP-Taktik.
Für bürgerliche Ökonom*innen und Politiker*innen steht konsequenter Klimaschutz in einem Nullsummenspiels unserem heutigen Wirtschaftssystem gegenüber. Dazu kommt geradezu albtraumhaft neoliberale Ideen wie CO2-Zertifikate und Emissionshandel, mittelfristig nicht mehr als spekulative Pläne.
Langfristig hängt die Umsetzung davon ab, dass ein Markt, der von Konsum und Profit gesteuert wird, diese Zertifikate korrekt, fair und genug einschränkend kalkuliert und handelt. Wir haben ja gesehen, wie das 2008 herauskam, als der Markt sich selbst regulieren sollte. Nachdem es bei der Weltwirtschaft so gut geklappt hat, sollte man dem Markt unbedingt auch noch das weltweite Klima überlassen. Wird schon.
Aber genug Sarkasmus, was nun? Es ist nun wichtig, genug politische Energie aufzubringen, um die Klimakrise zu bewältigen, denn im Moment fehlt vor allem genug politischer Wille, den ersten Schritt zu tun, und Tempo im Klimathema anzugeben. Vor allem für die ersten Schritte sind Ressourcen und Technologien da.
Was fehlt, ist die gesellschaftliche Priorisierung des Klimaproblems. Ökologische Fortschritte können nicht nur immer ein «Nice to Have» sein, wenn alle anderen Prioritäten schon erfüllt sind. Das ewige Pochen auf Innovationen und Anreize statt gesamtgesellschaftlichen Handelns spannt den Karren völlig vors Pferd. Wir können nicht so lange mit Klimaschutz warten, bis alle Rahmenbedingungen perfekt sind.
Konsequenzen des Klimawandels nehmen zu
Seit «Inconvenient Truth» ist einige Zeit vergangen, und seit Juni 2021 gibt es mit «Breaking Boundaries» einen neuen Kandidaten für das filmische Klima-Standardwerk. Der Film kontrastiert nicht mehr unseren heutigen Umgang mit der Erde und die drohende Klimakrise in der fernen Zukunft, nein, wir sind schon im Schlamassel angekommen.
Die Konsequenzen des Klimawandels nehmen zu, wir haben die verschiedenen planetaren Limiten, die unser stabiles Ökosystem garantieren, schon lange überschritten, oder sind daran.
Die Frage ist nur noch, wie schnell die sogenannten Kipppunkte erreicht sein werden, wo Ökosysteme irreparabel kollabieren. Dagegen geht das Rennen, und die Ziele: 2030, 2040, 2050, sind Schätzungen, wann genau diese Kipppunkte erreicht werden, und leider auch Schätzungen, wie viele davon unser Ökosystem verleiden mag.
Klar ist aber: je früher, desto besser. Das ist das erste Argument für 2030, und dass es als «idealistisch» gilt, ist mir unverständlich, denn wir handeln uns mit jeder Verzögerung unglaubliche zukünftige Schäden an den Grundlagen aller menschlichen Aktivitäten ein – ja, auch an denen der Wirtschaft. Klimaschutz und Markt sind eben doch kein Nullsummenspiel. Es geht hier nicht um luftige Nice-to-Haves, sondern um einen absolut dringenden Notfall.
Linke Städte müssen schnell Fortschritte machen
Das zweite Argument ist eher ein taktisches, spezifisch für diejenigen, die sich für 2040 oder 2050 einsetzen. Diese Zahlen sind ja keine Sicherheiten, und haben viel mehr damit zu tun, wie sehr die politischen Realitäten den Kampf gegen die Klimakrisen erschweren oder erleichtern. Genau deshalb ist es aber so wichtig, dass die Städte das Tempo anziehen.
Für alle, für die das Klima eine ernsthafte Priorität ist, und nicht nur ein Wahlkampfthema, sollte klar sein, dass es nur helfen kann, wenn linke Städte möglichst schnell Fortschritte machen. So sammeln sie sowohl Know-How, aber erhöhen auch den Druck national. Wer fürchtet, dass 2030 unrealistisch ist, sollte erst recht verstehen, warum Zürich ein Zugpferd im Klimaschutz werden muss. Wer 2040 anpeilt, muss in Zürich erst recht für 2030 sein.
In den letzten Monaten habe ich für die Zürcher Jungen Grünen die Umweltverantwortungsinitiative koordiniert (hier den Bogen bestellen: Umweltverantwortung.ch), das Thema der planetaren Grenzen ist mir also im Moment sehr nah.
Ich interessiere mich aber auch dafür, wie wir das möglichst schnell und sozial verträglich in Zürich erreichen können, deshalb kandidiere ich auch im Kreis 11 für die Grünen. Für eine grüne Stadt Zürich also unbedingt am 13. Februar Liste 4 einwerfen!