Marita Verbali: «Wieso essen wir Dessert vor dem Hauptgang?»
Marita Verbali ist FDP-Kandidatin für die Zürcher Gemeinderatswahlen im Kreis 3. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Marita Verbali ist bei der FDP in Zürich aktiv und kandidiert für den Zürcher Gemeinderat.
- Sie fordert für Unternehmen und Gewerbetreibende bessere Rahmenbedingungen.
- Denn die Schweiz ist mit ihrer Wirtschaft eine Integrationsmaschine, die Glück schafft.
- Und auch in der Umweltweltpolitik wünscht sie sich konkrete Taten und Projekte.
Eigentlich bin ich ein Landei, wie die meisten Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher. Aufgewachsen bin ich im Zürcher Unterland, in Niederweningen, heute Endstation der S5. Politisiert hat mich die damalige Debatte um das Waldsterben.
Meine Familie musste sich jeden Mittag eine Standpauke über Umweltschutz anhören. Konservendosen, Alufolie und Altglas wühlte ich aus dem Abfalleimer und schleppte das Zeugs zu einer der damals noch raren Entsorgungsstellen.
Irgendwann fing meine Familie an, Abfall zu trennen und zu recyclen – wohl weniger aus Überzeugung, sondern eher, um meinen mittäglichen Tiraden zu entkommen.
Auch wenn das vom damaligen Bundesrat Moritz Leuenberger dramatisch angekündigte Waldsterben nie eingetroffen ist, habe ich ihm das Interesse an politischen und gesellschaftlichen Fragen zu verdanken. Seither lese ich täglich verschiedene Zeitungen und Magazine.
Selbst als ich in Zürcher Restaurantküchen arbeitete, im Akkord schnetzelte und morgens um zwei Uhr den verkrusteten Grill schrubbte, las ich Zeitung – morgens um drei Uhr oder am Nachmittag in der Zimmerstunde.
Später holte ich Matura und Studium nach, arbeitete viele Jahre in der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich. Vermutlich gehöre ich zu den wenigen, die regulierungsfreundlicher in eine Behörde ein- als ausgetreten ist.
Denn im Behördenalltag und später als Unternehmerin habe ich erlebt, wie unnötige Regulierungen, überbordende Bürokratie und ein aufgeblähter Staatsapparat nur viel kosten und der Allgemeinheit wenig nützen.
In italienisch-argentinischer Migrantenfamilie aufgewachsen
Da heute viel von Integration und Migration die Rede ist: Ich bin in einer italienisch-argentinischen Migrantenfamilie aufgewachsen. Meine Eltern haben viel gearbeitet, die Mutter als Bürogehilfin, Verkäuferin und Coiffeuse, mein Vater als Hilfsschreiner und Gebäudereiniger.
Zu Hause wurde italienisch gesprochen – und manchmal wunderten sich meine Schwester und ich, dass es bei den Schweizer Nachbarn so seltsame Dinge wie Birchermüesli und Zwetschgenwähe zum Znacht gab.
Wir fragten uns, weshalb Schweizer zuerst das Dessert servieren und warteten vergeblich auf den Hauptgang. Nicht alle Nachbarn und Lehrer waren fremdenfreundlich. Allerdings wurden bei uns nicht die Ausländerkinder, sondern die Bauernbuben gemobbt.
Als Seconda hatte ich Entwicklungsmöglichkeiten, die ich in Süditalien kaum gehabt hätte. Deshalb sind mir Klagen, wonach alle Ausländer strukturell benachteiligt würden, suspekt. Vielmehr wurde mir auch als Unternehmerin und Mitglied der FDP bewusst, dass die «bürgerliche» Schweiz mit ihrer Wirtschaft eine Integrationsmaschine ist, die Wohlstand und Glück schafft, ohne darüber viel Aufhebens zu machen – während andere nur grosse Reden schwingen.
Mich beeindrucken Politiker wenig, die fordern, man müsse 100'000 Migranten aufnehmen, ohne diesen Menschen eine Perspektive bieten zu können. Wer mich dagegen beeindruckt, ist mein Coiffeur René – nicht nur, weil meine Haare eine Herausforderung für jeden Coiffeur sind, sondern vor allem, weil er eine junge Frau und Mutter aus Afghanistan als Lehrling beschäftigt, die erst spät als Jugendliche in die Schweiz gekommen ist.
Unternehmen und Gewerbetreibende sichern sozialen Frieden
So wie René gibt es zahlreiche Unternehmerinnen, KMU und Familienbetriebe, die jedes Jahr tausende Jugendliche ausbilden. Deshalb braucht es gute Rahmenbedingungen für Unternehmen und Gewerbetreibende, denn sie sind es, welche den sozialen Frieden sichern und die Schweiz zu einem Einwanderungsland gemacht haben, in dem das Zusammenleben zwischen verschiedensten Kulturen weitgehend gelingt.
Dazu gehören faire Steuern oder auch Parkplätze für die Kunden. Ich selber fahre lieber Velo, bei jedem Wetter. Denn auch in der Umweltweltpolitik ziehe ich konkrete Taten und Projekte allen medienwirksamen, aber unrealistischen Maximalforderungen vor.
Meine Eltern recyclen übrigens seit Jahren ganz selbstverständlich und ohne Standpauken – und ich esse ab und zu ein Birchermüesli zum Znacht.