Regula Rytz

Regula Rytz (Grüne): Mit Solidarität aus der Krise!

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Bern,

Die COVID-Pandemie hat alte Gewissheiten in Frage gestellt. Zeit für einen Neustart – nachhaltig, weltoffen und sozial. Ein Kommentar von Regula Rytz.

Regula Rytz
Die Berner Grüne-Nationalrätin Regula Rytz kritisiert die Kampagne der Gegner scharf. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf patriotische Sonntagsreden können wir in Corona-Zeiten gut verzichten.
  • Handeln ist gefragt: für Klimagerechtigkeit, soziale Sicherheit und neue Arbeitsplätze.

Am Nationalfeiertag ist oft von alten Werten und Traditionen die Rede. Von brüderlichem Gemeinschaftssinn, von Selbstbestimmung und Unabhängigkeit, von stolzen Bergen und Alpenfirn im Abendrot.

In Tat und Wahrheit ist es genau um diese «Traditionen» schlecht bestellt. Das fängt schon bei der Nationalhymne an. Die darin besungenen Berge bröckeln und die Gletscher sterben.

In 100 Jahren haben sie in der Schweiz die Hälfte ihres Volumens eingebüsst. Das Gesicht der Alpen verändert sich immer schneller, mit drastischen Folgen für Tourismus, Naturgefahren und die Wassernutzung.

Um die Schweizer Traditionen ist es schlecht bestellt

Auch der Gemeinschaftssinn schmilzt wie Schnee an der Sonne. Zwar gibt es in unserem Land viel persönliche Solidarität und Nachbarschaftshilfe. Doch die Corona-Pandemie hat auch die Schwachstellen unseres Sozialstaates an den Tag gebracht.

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Regula Rytz bei der Delegiertenversammlung der Grünen im Januar 2020. - Keystone

So waren die Reserven von margenschwachen KMU, Kulturschaffenden, Selbständigen, Freelancern und Stundenlöhnerinnen im Lockdown in kürzester Zeit aufgebraucht. Nur dank einem staatlichen Hilfspaket und vielen Steuermilliarden konnte eine Entlassungs- und Konkurswelle verhindert werden.

Doch die schlechten Nachrichten häufen sich. Der Winterthurer Industriekonzern Sulzer zum Beispiel will in der Schweiz 55 Stellen streichen. Noch im Frühling hat er 137 Millionen Franken an seine Aktionäre ausgeschüttet. 67 Millionen allein an den russischen Oligarchen Viktor Vekselberg.

Auch der Lift- und Rolltreppenhersteller Schindler will in der Schweiz 200 Stellen streichen. Noch am 19. März genehmigten die Aktionäre eine Dividendenausschüttung von 431 Millionen Franken. 190 Millionen Franken davon gingen an die Inhaber-Familien Schindler und Bonnard. Im Gegensatz zu unserem Lohn werden sie nur teilbesteuert.

Während die Menschen in «systemrelevanten» Tieflohnberufe und die oft teilzeitarbeitenden Frauen von der Corona-Krise hart getroffen sind, geht das Abzocken in den oberen Etagen weiter. Das widerspricht den Grundwerten der Schweiz. Wir GRÜNE wollen deshalb mit einer Solidaritätsabgabe von 3 Prozent auf ausgeschütteten Dividenden einen kurzfristigen Ausgleich schaffen.

Schindler aufzüge
Auch die Schindler AG wurde von der Corona-Krise getroffen. - Keystone

Das würde jährlich etwa 2-3 Milliarden Franken bringen. Geld, das in die Bekämpfung von Armut, in die Aus- und Weiterbildung, in die Stärkung des Gesundheitswesens und in die Energiewende investiert werden kann. In die Arbeitsplätze der Zukunft. In einen Gemeinsinn, der diesen Namen auch verdient.

Versorgungssicherheit durch globale Kooperation

Die Corona-Krise hat nicht nur die sozialen Gräben in unserem Land vertieft. Sie legte auch die wachsende Abhängigkeit der Schweiz von globalen Versorgungsketten offen. Die «immerwährende Unabhängigkeit» der Schweiz wurde längst durch die internationale Arbeitsteilung ausgehöhlt. Das fängt schon bei den Lebensmitteln an: Die Hälfte der hier gebrauchten Lebens-, Futter- und Düngemittel stammt aus dem Ausland.

Auf uns alleine gestellt würden wir nicht lange durchhalten, nicht einmal mit einer Kartoffeldiät. Doch die Abhängigkeit von den anderen Ländern ist noch viel grösser. 75 Prozent der hier gebrauchten Energie kommt aus dem Ausland, Erdöl, Gas, Uran und Kohlestrom. Dank der Energiestrategie 2050 setzen wir immer mehr auf einheimische, erneuerbare Quellen wie Sonne, Wind, Holz und Wasser. In anderen Bereichen ist das nicht so einfach. Die Schweiz ist arm an Rohstoffen: Kupfer, Gold, Baumwolle, Phosphor, Platin, Indium, Lithium – nichts davon ist hier vorhanden und doch sind wir täglich darauf angewiesen.

Wer wirtschaftlich so stark auf andere Länder angewiesen ist wie die Schweiz, hat ein Interesse daran, dass auf den globalen Märkten faire Spielregeln gelten. Dass die Weltkonzerne überall Verantwortung für soziale Rechte und Umweltschutz übernehmen. Dass Schluss ist mit aggressivem Steuerwettbewerb und «Steuerferien» für Abzocker und Betrüger. Dass anständige Preise für anständige Arbeit bezahlt werden, zum Beispiel in der ausgelagerten Textilindustrie.

Offshore-Windpark Global Tech I
Windkraftwerke in der Nordsee. «75 Prozent hier gebrauchten Energie kommt aus dem Ausland», sagt Regula Rytz. - dpa

Dass die Menschen in anderen Ländern genügend zu essen haben, um mit uns zu teilen. Dass sie in Frieden und Wohlstand leben und nicht wegen Perspektivenlosigkeit eine neue Heimat suchen müssen. Zu all diesen Entwicklungen kann die Schweiz als Demokratie mit humanitärer Tradition, als globales Finanzzentrum und starker Rohstoffhandelsplatz sehr viel beitragen. Sie kann – wie schon im 19. Jahrhundert – mit Pioniergeiste vorangehen und zeigen, dass nur Kooperation, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit die Grundlagen für eine gute Zukunft sind. Hier haben wir noch viel Luft nach oben.

Unsere Heimat ist die Welt!

Die COVID-19-Pandemie hat uns allen gezeigt: Es gibt keine absolute Sicherheit und kein «Heimat-Reduit». Eine globale Krise trifft immer auch die Schweiz. Wir können die Risiken senken, in dem wir die grenzüberschreitende Solidarität stärken und endlich die nötigen Reformen durchsetzen.

Im Gesundheits¬wesen, im Steuer- und Handelsrecht, vor allem aber im Natur- und Klimaschutz. Die Erde ist der einzig bekannte Planet, auf dem Leben existiert. Es ist höchste Zeit, dass wir zu dieser Heimat besser Sorge tragen. Wir haben nur sie!

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