Roland Rino Büchel (SVP): Bundesrat soll FIFA-Infantino treffen
Roland Rino Büchel (SVP) bezeichnet sich als «FIFA-Kritiker». Er fordert die Bundesräte dazu auf, mit der FIFA vermehrt Diskussionen zu führen. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Roland Rino Büchel ist Nationalrat der SVP (SG).
- Er findet, der Bundesrat sollte mehr in Bereiche der FIFA intervenieren.
- Die Schweiz könne nämlich viel lernen – etwa, wie sich volle Stadien auswirken.
Nau.ch hat kürzlich vom Bundeshaus-Treffen zwischen Nationalratspräsident Andreas Aebi und FIFA-Präsident Gianni Infantino berichtet.
Manch ein Leser, manch eine Leserin mag auf den ersten Blick überrascht sein, dass ich als «FIFA-Kritiker» davon überzeugt bin, dass jetzt ein Treffen mit Bundesräten Sinn machen würde. Was könnte mit wem besprochen werden?
Wenn ich Sportministerin Viola Amherd wäre, würde es mich – auch in Anbetracht der Probleme im Turnverband – interessieren, was die FIFA bei Missbrauchsfällen im Kinder- und Jugendsport unternimmt.
Amherd und Infantino kommen beide aus Brig im Oberwallis. Das sollte weder ein spezieller Anstoss noch ein Hindernis für ein Treffen sein. Unsere Sportministerin sagte jüngst zur NZZ: «Ob Corona, Lauberhorn oder Turnverband. Wenn Probleme auf den Tisch kommen, dann löst man sie.»
Im Parlament gibt es immer wieder Vorstösse zur FIFA, zum Beispiel zum Fussballtransfersystem und der Rolle der Spieleragenten. Wie und wo werden diese Probleme «auf den Tisch» gebracht? Braucht es eine staatliche Intervention, oder greifen und genügen die Massnahmen der FIFA?
Infantino soll mit Bundesräten sprechen
Was auch immer angepackt werden muss – es geht besser, wenn man sich gegenseitig kennt und weiss, welche Ansichten und Absichten das Gegenüber hat.
Mit Aussenminister Ignazio Cassis könnte Infantino sich darüber unterhalten, wie die FIFA-Projekte mit internationalen Organisationen, zum Beispiel UNO, Europarat oder ASEAN laufen.
Hat die FIFA dort Verbindliches versprochen? Wird ernsthaft umgesetzt? Falls ja, können die Resultate auf die Schweiz heruntergebrochen werden?
FIFA-Klub-Weltmeisterschaft in Katar mit Zuschauern
In Katar kommt es am Donnerstag zum Finalspiel der FIFA-Klub-WM. Der FC Bayern München ist nach dem Halbfinal-Sieg gegen Al Ahly Kairo Titelfavorit. Zur Erinnerung: Das ägyptische Team war bis vor einem halben Jahr erfolgreich vom Schweizer René Weiler trainiert worden.
Derzeit ungewöhnlich – und für unseren Gesundheitsminister nicht unerheblich: Es hat Zuschauer in den Stadien. Funktioniert das Schutzkonzept? Kann man aus einem solchen Turnier Schlüsse für Spiele in der Schweiz ziehen? Die Erfahrungen der FIFA könnten für Alain Berset von Belang sein.
Welche Fortschritte sind im Fussball bei der Förderung der Frauen erzielt worden? Machte sich der Mut der FIFA bezahlt, für die Klub-WM der Männer in einem arabischen Land ein Frauen-Schiedsrichter-Trio aufzubieten? Das wären Punkte, welche entweder mit dem Bundespräsidenten oder mit SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga diskutiert werden könnten.
Spielmanipulation und Wettbetrug
Jetzt komme ich zu einer Materie, welche noch zu wenig auf dem öffentlichen Radar ist, den Sport in den kommenden Jahren jedoch dominieren wird: Im Fussball und in anderen Sportarten wird im Zusammenhang mit Wetten weltweit massiv betrogen. UEFA-Präsident Ceferin bezeichnet diese Machenschaften sogar als «Krebsgeschwür des Sports».
Die «Magglinger Konvention» des Europarats kann als starkes Mittel dagegenwirken, weil sie Betrügereien im Sport den Kampf ansagt.
Wie sieht es unsere Justizministerin Karin Keller-Sutter? Sollte die Schweiz in dieser Sache eine aktivere Rolle übernehmen? Haben wir eine besondere Verantwortung, weil die weltweit wichtigsten und grössten Sportverbände ihren Sitz bei uns haben?
Konkrete Abmachungen
Ich bin erfreut darüber, dass die FIFA mit internationalen Institutionen wie dem Europarat verbindliche Abmachungen getroffen hat. Und ja, es gefällt mir, dass nicht mehr nur «gelafert» wird. Sondern endlich auch «geliefert».
Sollten bei allfälligen Treffen zwischen dem FIFA-Präsidenten und Bundesräten auch die Geschehnisse rund um Bundesanwalt Michael Lauber angesprochen werden? Hier lautet meine Antwort ganz klar: Nein!
Wir haben in letzter Zeit zu unseren Institutionen, teils personenbedingt, nicht genügend Sorge getragen. Jetzt müssen sich die Exponenten in den wichtigen Positionen aller drei staatlichen Gewalten das Vertrauen wieder erarbeiten. Da liegt, gerade bei uns im Parlament, noch einiges an Arbeit vor uns.
Legislative, Exekutive und Justiz sollen ihre Arbeit sauber und unaufgeregt erledigen – und zwar unabhängig voneinander. Es braucht wieder mehr seriöse Arbeit in den Behörden. Und weniger Personenkult und grossartige Inszenierungen.
Korrupte ehemalige FIFA-Funktionäre
Ich kritisiere das Verhalten von korrupten FIFA-Funktionären seit Jahren und bin überrascht über das grosse Echo, welches ein Interview in der Internetzeitung «Die Ostschweiz» ausgelöst hat.
Dort wurde ich zum Treffen zwischen FIFA-Präsident Gianni Infantino und Nationalrats-Präsident Andreas Aebi befragt. Ich schilderte auch, wie es rund um zwei ehemalige FIFA-Vizepräsidenten «zuging, wie im alten Rom».
Solcherlei Typen dürfen im Fussball keine Rolle mehr spielen. FIFA-Präsident Infantino hat es in der Hand, dafür zu sorgen, dass es für sie im Fussball künftig keinen Platz mehr hat. Je standhafter er bleibt, desto härter werden ihn die alten Profiteure bekämpfen. Das wird er ertragen müssen.
Es gibt in der Welt der Sportfunktionäre immer noch zu viele Leute, welche sich nach dem dekadenten «Blazer-Style» zurücksehnen: Der Amerikaner Chuck Blazer war 17 Jahre lang FIFA-Vizepräsident.
Ihm wurden im 17. und im 49. Stock des Trump Towers in New York zwei Wohnungen finanziert; er belegte die obere, seine Katzen die untere. Die Mietkosten beliefen sich (zu den damaligen Umrechnungskursen) auf mehr als 35'000 Franken. Pro Monat!
Ich hatte mit ihm zu tun, als ich für eine Sportmarketingagentur arbeitete. Geradezu legendär war sein Papagei, ein Ararauna, welcher bei Sitzungen jeweils dazwischen raunzte. Den Hummer hatte Blazer gerne als zarte Delikatesse auf dem Teller. Der fette Hummer, ein US-Offroader, stand auf seinem Parkplatz.
Dekadenz pur herrschte bei FIFA-Funktionären
Geht es noch dekadenter? Wer Jack Warner kennt, weiss: Man konnte es noch schlimmer treiben als Blazer. Fangen wir mit dem guten Ende an. Warner wurde von einem New Yorker Gericht zu einer Busse von 79 Millionen Dollar verdonnert. Und er ist lebenslang vom Fussball ausgeschlossen.
Er hatte dem Fussball Dutzende Millionen Dollar gestohlen. Der Ex-Minister aus Trinidad & Tobago war auch während 28 Jahren Vizepräsident der FIFA. Er hatte sich nicht nur aus den Fussballkassen bedient; er ging noch weiter.
Von einer Agentur liess er sich millionenteure TV- und Radiorechte von Fussball- Weltmeisterschaften für eine Gebühr von gerade mal einem Dollar zuschanzen. Als ich davon erfuhr, sprach ich ihn direkt an. Darauf bellte er zurück: «Diese Rechte gehören mir. Das ist ein Naturgesetz. Daran wirst Du niemals etwas ändern. F..k off!» Die Fortsetzung ist definitiv nicht mehr jugendfrei…
Es ist falsch, wenn millionenteure Rechte an FIFA-Funktionäre verschenkt, anstatt auf dem Markt verkauft werden. Die weltweit grösste Sport-Marketingagentur ISL machte schlussendlich Konkurs. Nicht nur, aber auch wegen solcher Deals.
Um an lukrative Fussballrechte zu gelangen, kam die Innerschweizer ISL offenbar nicht darum herum, zahlreiche Sportfunktionäre zu bestechen. Diese erhielten während 12 Jahren mehr als 140 Millionen Franken Schmiergeld von der Rechtehändlerin. Leider wurde das erst nach deren Konkurs bekannt. Dafür ist in Zuger Gerichtsakten alles fein säuberlich aufgeführt.
Aus unserer Warte wird die Korruption in Afrika, Lateinamerika, Osteuropa oder auch in Asien vermutet. Im Fussball stellt man jedoch fest: Sie machte auch vor den USA nicht halt. Und auch die europäischen Fussball-Legenden Michel Platini und Franz Beckenbauer verhielten sich nicht sauber, als sie sich für eigene Zwecke oder für das «Sommermärchen» stark machten.
Gute Besserung, Sepp Blatter!
Man kann einwerfen, dass all dies unter Infantinos Vorgängern geschah. Das stimmt. Doch Joao Havelange aus Brasilien ist im Jahr 2016 gestorben. Sepp Blatter aus Visp ist bald 85, und er erholt sich gerade von einer Herzoperation. Ich wünsche ihm eine gute Genesung.
Weitere Verbesserungen bei der FIFA zuwege zu bringen, das ist die Aufgabe des jetzigen Präsidenten Gianni Infantino.
Nun lese ich einen Gastbeitrag der «Fussball-Kommentatoren-Legende» Dani Wyler auf nau.ch und stelle fest: Der Glaube an anhaltende Fortschritte ist nicht allgegenwärtig. Er prangert die kommende WM in Katar an.
Wie froh wäre ich gewesen, wenn sich die hiesigen Fussballreporter in all den Jahren, als ich die damals himmeltraurigen Zustände im Fussball kritisierte, mit den Widerwärtigkeiten und der Korruption im Sport befasst hätten.
«Wäre. Hätte.» Tempi passati. Schauen wir vorwärts!
Wyler glaubt nicht an Verbesserungen. Zu möglichen Fortschritten sagt er am Schluss seines Beitrags voller Zweifel: «Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube…»
Ich sehe es anders: Ein sportlicher Grossanlass kann durchaus Schub geben, um das Leben der Menschen im Gastgeberland zu verbessern. Das habe ich einige Male persönlich erlebt.
Das ist auch in Katar möglich. Ohne naiv zu sein – hier bin ich klar optimistischer als Dani Wyler. Wer, wie FIFA-Präsident Infantino, an diesem Riesenanlass wirklich etwas zu sagen hat, muss a) wirklich hinschauen, b) mit den Partnern Klartext reden, c) nachhaltige Verbesserungen einleiten und d) ehrlich kommunizieren.
Oder, frei nach Erich Kästner: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.» Wenn sich die FIFA an dieses Sprichwort hält, dann wird in Katar einiges mehr erreicht werden, als es die Pessimisten heute vermuten.