SP Frauen wollen das Sexualstrafrecht reformieren

Wann ist Sex einvernehmlich? Und wann liegt eine Vergewaltigung vor? Mit diesen Fragen setzten sich hier nun zwei prominente SP-Nationalrätinnen auseinander.

Flavia Wasserfallen Min Li Marti
Die SP-Nationalrätinnen Min Li Marti (l.) und Flavia Wasserfallen wenden sich bezüglich des Sexualstrafrechts via Nau an die Öffentlichkeit. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Jede 10. Frau hatte gemäss einer Amnesty-Studie schon einmal Sex gegen ihren Willen.
  • Deshalb soll das Schweizer Sexualstrafrecht modernisiert werden. Wie, ist umstritten.
  • Hier plädieren die SP-Nationalrätinnen Wasserfallen und Marti für die Zustimmungslösung.

Sex sollte schön, lustvoll und vor allem einvernehmlich sein. Ob zwischen bekannten, vertrauten oder unbekannten Menschen. Und niemand soll Angst vor Sex haben. Niemand sollte ungewollt sexuellen Handlungen ausgesetzt werden. Klingt logisch?

Sex Symbolbild SP Frauen
Nachbarinnen beschwerten sich über die Geräusche beim Liebesakt. (Symbolbild) - keystone

Am 21. Mai hat Amnesty International schockierende Zahlen publiziert und damit verdienstvoll eine kontroverse Debatte in der Schweiz angestossen. Schockierend, weil die in Auftrag gegebene GFS-Studie ergeben hat, dass jede fünfte Frau über 16 einen sexuellen Übergriff erlebt hat und jede zehnte Frau schon einmal Sex gegen ihren Willen hatte.

Grosse Dunkelziffer befürchtet

Diese Zahlen weichen erheblich von der Kriminalstatistik ab, was auf eine riesige Dunkelziffer deutet. Sexuelle Übergriffe werden demnach höchst selten angezeigt und noch seltener kommt es zu einer Verurteilung.

Sexuelle Belästigung SP, chefredaktor
Sexuelle Belästigung bleibt ein gesellschaftliches Problem. (Symbolbild) - Keystone

Schuld daran sind Schamgefühle, gesellschaftliche Konventionen, schwierige familiäre Situationen, ungenügende Unterstützung oder Beratung, Angst vor Stigmatisierung und eben auch unser Sexualstrafrecht.

Nach heutigem Sexualstrafrecht liegt keine Vergewaltigung vor, wenn ein Mensch ungewollten Sex passiv über sich ergehen lässt. Vielmehr muss sich die Frau aktiv wehren, schreien, die Person schlagen oder kratzen, wenn sie keinen Sex will, sonst wird stillschweigende Zustimmung vermutet.

Trotz «Nein» liegt heute keine Vergewaltigung vor

Wenn also eine Frau beim Sex «Nein» oder «Stopp» sagt, sich aber nicht aktiv wehrt, liegt keine Vergewaltigung vor. Genau ein solcher Fall, hat die Juristin Nora Scheidegger dazu bewogen, eine Dissertation über dieses Thema zu schreiben (Das Sexualstrafrecht in der Schweiz – Grundlagen und Reformbedarf).

Nationalrätin Flavia Wasserfallen
Nationalrätin Flavia Wasserfallen (SP/BE) schreibt in einem Gastkommentar zur Situation der Pflegenden. - zvg

Dass sich eine Frau nicht aktiv wehrt, weil sie überrumpelt ist oder Angst hat, ist nachvollziehbar. Eine junge Frau erleichterte sich nachts in einem Park und plötzlich steckte jemand seine Finger in ihre Scheide.

Diese Handlung ging so schnell, dass sie gar nicht schreien konnte. Sie war derart überrumpelt, dass sie möglicherweise in den ersten Sekunden wie «gelähmt» war und erst danach realisierte, was da vor sich gegangen ist.

Ja, dann ist gemäss Schweizer Sexualstrafrecht Pech. Es liegt dabei kein strafrechtlich relevanter sexueller Übergriff vor. In Stockholm hingegen, wo dieser Vorfall passiert ist, konnte diese Frau klagen. Die frühere Staatsanwältin und heutige Opferanwältin Silvia Ingolfsdottir schildert die positiven Erfahrungen mit der Zustimmungslösung in Schweden eindrücklich.

Strafrecht muss abbilden, dass Sex schön sein soll

Sex soll schön, gewollt und lustvoll sein. Eine Selbstverständlichkeit. Und unser Sexualstrafrecht soll dies auch abbilden. Deshalb ist es an der Zeit, eine Reform an die Hand zu nehmen. Ein paar Ständeräte (leider nur Männer) sind nun mit verschiedenen Vorschlägen beschäftigt. Was dabei herauskommt, ist ungewiss. Die Skepsis und Vorbehalte leider gross.

SP Min Li Marti
SP-Nationalrätin Min Li Marti kämpft mit Wasserfallen für ein klareres Sexualstrafrecht. - Keystone

So oder so werden wir in der Rechtskommission des Nationalrates im Rahmen der Reform der Strafprozessordnung, die von den Strafrechtlerinnen Anna Coninx und Nora Scheidegger in die Diskussion gebrachte Veto-Lösung (betroffene Person muss verbal oder nonverbal Ablehnung signalisieren) und die Zustimmungslösung (betroffene Person muss verbal oder nonverbal Zustimmung signalisieren) beantragen.

Die Diskussion um ein modernes und menschenfreundliches Sexualstrafrecht ist überfällig. Auch wenn es noch viel Überzeugungsarbeit braucht, sind wir überzeugt, dass wir in der Schweiz das Sexualstrafrecht reformieren müssen.

Weil gesellschaftliche Normen und Werte das Recht auch prägen und hier hat sich (zum Glück) die Gesellschaft geändert: Sexuelle Übergriffe sind kein Kavaliersdelikt mehr und Gleichberechtigung gilt auch im Bett.

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