Thomas Matter: «Verena Diener als EWR-Gegnerin»
Verena Diener ist im Alter von 75 Jahren verstorben. Ohne Diener wäre die Schweiz wohl im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gelandet, schreibt Thomas Matter.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 6. Dezember 1992 lehnte das Schweizer Volk den EWR-Beitritt ab.
- Die verstorbene Ständerätin Diener kämpfte damals als Grünen-Präsidentin gegen den EWR.
- Eine Kolumne von SVP-Nationalrat Thomas Matter.
Ende Juni ist die frühere Zürcher Nationalrätin, Regierungsrätin und Ständerätin Verena Diener im Alter von 75 Jahren verstorben.
In zahlreichen Nachrufen wurde diese Politikerin, die viel Charisma und natürliche Autorität ausstrahlte, verdienterweise gewürdigt. In Erinnerung bleibt neben ihren Leistungen für das Gesundheitswesen vor allem auch die Tatsache, dass sie den Mut hatte, aus der Grünen Partei auszutreten und zusammen mit Martin Bäumle die Grünliberale Partei zu gründen.
Denn sie konnte den Kurs der Grünen, welche die SP nicht selten links überholten, nicht mehr mittragen.
Was hingegen in Verena Dieners Lebenslauf kaum erwähnt wurde, ist die Tatsache, dass sie 1992 als Präsidentin der Grünen Partei Schweiz gegen den Beitritt unseres Landes in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gekämpft hat.
Mit EWR-Vertrag wäre Schweiz heute in der EU
Dieser EWR-Beitritt hätte – ähnlich wie die jetzt geplante institutionelle Anbindung – die Schweiz gewissermassen zu einer Rechtskolonie der Europäischen Union gemacht. Die Bürger und die Kantone wären als Gesetzgeber ausgeschaltet worden und hätten fremde Richter des EU-Gerichtshofes. Der EWR-Vertrag war für die Schweiz so nachteilig, dass sie heute zweifellos Mitglied der EU wäre.
Selbstverständlich betonte Verena Diener, sie habe gegen den EWR andere Argumente als die «Isolationisten» der SVP.
Ähnlich argumentierte sie allerdings, wenn sie darauf hinwies, dass «die mangelnden Mitspracherechte ihrem Demokratieverständnis» widersprächen. Auch kollidiere der EWR mit den «ökologischen und sozialen Zielen der Grünen».
Verena Diener lehnte den Anbindungsvertrag aber auch ab, weil der EWR auf «zügelloses Konsumwachstum» ausgerichtet sei. Sie äusserte sich überzeugt, dass die vorgesehene «Liberalisierung», etwa die Personenfreizügigkeit, die sozial Schwachen und dabei vor allem die Frauen hart treffen würde.
An der Seite von Christoph Blocher
Am 10. Oktober 1992, knapp zwei Monate vor der EWR-Abstimmung, wurde Verena Diener in Basel zur Präsidentin der Grünen Schweiz gewählt. Die Delegierten folgten ihrem Antrag auf eine Nein-Parole mit 80 zu 30 Stimmen.
So stand denn die Grüne Verena Diener Ende November 1992 in einer dreistündigen EWR-Sendung des Schweizer Fernsehens auf der Seite des Gegners Christoph Blocher von der SVP. In Blochers Nein-Lager trat übrigens auch der SP-Politiker Andreas Gross auf, auch er aus grundsätzlichen demokratiepolitischen Gründen.
Die NZZ schrieb über diese Sendung: «Soweit der Fernsehabend überhaupt noch Meinungen bilden konnte, dürfte er vor allem den Befürwortern Zuzug gebracht haben.» Das war aber eher Wunschdenken.
Sogar der Kanton Zürich lehnte ab
Am 6. Dezember 1992 lehnte das Schweizer Volk den EWR-Beitritt bei einer Stimmbeteiligung von 79 Prozent den Beitritt mit 50,3 Prozent der Stimmenden und 14½ Kantonen ab.
Eines ist dabei ganz sicher: Ohne die Stimmen der skeptischen Grünen und deren Präsidentin Verena Diener wäre zumindest ein Volksmehr des Nein-Lagers nicht gelungen. Sogar der Kanton Zürich lehnte den EWR ab.
Später wurde auch Verena Diener vorgeworfen, die Folge des EWR-Neins sei eine wirtschaftliche Rezession gewesen.
Dazu hält der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann von der Universität Zürich klipp und klar fest: «Es gibt keine einzige Studie, die den Einfluss des EWR-Neins auf unsere konjunkturelle Entwicklung nachweisen würde. Die Schweizer Krise begann lange vor der Abstimmung und war etwa ein Jahr danach vorüber. Die Gründe für die Krise waren die Weltrezession, unsere massive Immobilien- und Bankenkrise und die damals schlechte Geldpolitik der Nationalbank. All das hatte mit der EWR-Abstimmung nichts zu tun.»
Zum Autor: Thomas Matter ist Unternehmer und SVP-Nationalrat.