Yannick Berner (FDP): Arbeiten nach der Pensionierung
Pensionierte, die weiterarbeiten, werden mit hohen Steuern bestraft. Durch den Fachkräftemangel sind wir auf diese Arbeitskräfte angewiesen. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Die erhöhte Steuerbelastung hindert viele daran, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten.
- Der flexible Rentenbezug könnte Anreize für die Weiterarbeit im Alter schaffen.
- Mit Pensionierten könnte man den Fachkräftemangel entschärfen, so dieser Gastbeitrag.
Die Schweizer Firmen stehen vor einer grossen Sorge: dem Fachkräftemangel. Um diesem Problem zu begegnen, könnte die Weiterarbeit von Rentnerinnen und Rentnern nach der Pensionierung eine Lösung bieten.
Allerdings hindert ein entscheidender Faktor die meisten daran, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten – die Steuerbelastung. Vorsorgeexperten haben den Effekt ausgerechnet.
Wenn ein Paar sich entscheidet weiterzuarbeiten, so zahlen sie fast doppelt so viel Steuern wie als Erwerbstätige. Diese Verdopplung der Steuern stellt für viele Rentnerinnen und Rentner eine abschreckende Strafzahlung dar und verhindert so ein berufliches Engagement im Rentenalter.
Flexibler Bezug der Rente
Um die Steuerlast zu mildern und Rentnerinnen und Rentnern Anreize für eine Weiterarbeit zu bieten, braucht es eine Flexibilisierung des Rentenbezugs. Ein Ansatz wäre, dass bei einer Weiterbeschäftigung, der Rentenbezug für diese Zeit gestoppt oder reduziert werden kann, um das monatliche Einkommen moderat zu halten.
Durch eine Reglementsanpassung der Pensionskassen liesse sich diese neue Form der flexiblen Arbeitsgestaltung einführen. Die Steuerprogression würde entschärft und die Rentnerinnen und Rentner könnten ihre Rente sistieren, um ihre Steuerlast zu reduzieren.
Die starren Strukturen der Sozialsysteme
Die heutigen Sozialsysteme, sowohl steuerlicher als auch vorsorglicher Natur, sind zu unflexibel, um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden. Die Politik hat bereits das Ziel formuliert, sich von der starren Altersgrenze von 65 zu verabschieden. Allerdings erfordert es mehr als Worte, um eine tatsächliche Veränderung herbeizuführen. Solange die Weiterarbeit im Rentenalter mit steuerlichen Nachteilen verbunden ist, werden die Rentnerinnen und Rentner zurückhaltend bleiben.
Die Rolle der AHV
Die AHV-Beitragspflicht für Erwerbstätige über 65, die jedoch nicht mehr von einer höheren Rente profitieren, stellt eine weitere Benachteiligung dar. Diese Beitragspflicht trägt zur Verschärfung des Fachkräftemangels bei.
Es ist dringend erforderlich, dass die politischen Entscheidungsträger diese Diskrepanzen erkennen und geeignete Massnahmen ergreifen, um den Bedürfnissen der Versicherten gerecht zu werden.
Unser Sozialsystem muss sich an die gesellschaftliche Entwicklung anpassen
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Sozialsysteme den gesellschaftlichen Entwicklungen hinterherhinken. Um den Fachkräftemangel anzugehen und den Rentnerinnen und Rentnern die Möglichkeit zu geben, über das Rentenalter hinaus zu arbeiten, müssen Steuerprogression und unflexible Strukturen überdacht werden.
Die Einführung eines flexibleren Rentenbezugs und eine Überprüfung der AHV-Beitragspflicht sind wichtige Schritte, um den Herausforderungen unserer modernen Arbeitswelt gerecht zu werden und die Sozialsysteme an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen.
Zum Autor: Yannick Berner ist Unternehmer und Grossrat im Kanton Aargau.
