Bitcoin als mögliches Schlupfloch für sanktionierte Russen
Können russische Oligarchen oder Parlamentsmitglieder die Sanktionen gegen sie mit Kryptowährungen umgehen? Kurze Antwort: Jein.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU, USA und Schweiz haben mehrere Personen und Banken aus Russland sanktioniert.
- So können Oligarchen nicht mehr auf ihr Vermögen in Schweizer und EU-Konten zurückgreifen.
- Mit Bitcoin wäre eine Umgehung unwahrscheinlich, aber möglich, sagen Experten.
Die finanziellen Sanktionen gegen Russland und deren Staatsangehörige sind hart. Die Überlegung dahinter ist, das Land wirtschaftlich zu schwächen. So wird auch der Krieg nicht mehr finanzierbar oder von der Regierung politisch tragbar.
Zu den Sanktionen gehört etwa das Einfrieren von Vermögenswerten in der EU, USA oder Schweiz. Oligarchen und Parlamentsmitglieder können nicht mehr auf ihre Konten zurückgreifen oder Geschäfte eingehen. Über Kryptowährungen wurde an den Medienkonferenzen der Regierungen aber kein Wort verloren. Sind sie eine Umgehungsmöglichkeit?
Bitcoin ist doch nicht so anonym
Kryptowährungen wie der Bitcoin sind anonym, heisst es. Das stimmt aber nicht ganz, sagt Lucas Betschart, Präsident der schweizerischen Bitcoin Association. «Bitcoin selbst ist Pseudonym», erklärt Betschart. Die sogenannten «On-» und «Off-Ramps» setzen eine Anmeldung mitsamt Authentifizierung an der Börse und an Finanzdienstleistern voraus.
Das heisst, wenn jemand mit Franken Bitcoin kaufen, oder umgekehrt Bitcoin für Franken verkaufen möchte, geschieht dies nicht anonym. Der Handel mit Kryptowährungen auf dem EU-, US- und Schweizer Markt ist also jeder sanktionierten Person verboten. «Kryptowährungsbörsen halten sich an dieselben Vorschriften wie alle anderen Finanzunternehmen auch», so der Bitcoin-Experte.
«Es gibt immer Wege»
Zwei Umgehungsmöglichkeiten gebe es dennoch: Eine ist der Kauf von Bitcoin mit der russischen Währung, dem Rubel.
Sollte der Rubel noch mehr an Wert verlieren, könnte das eine Absicherung darstellen, sagt Julian Liniger. Der Krypto-Experte ist Mitgründer und CEO der Relai AG, die eine Bitcoin Investment App betreibt. «Bitcoin eignet sich gerade in Krisenzeiten gut als Wertanlage und Inflationsschutz», so Liniger.
Die zweite Umgehungsmöglichkeit wäre die direkte Bezahlung von Dienstleistungen mit Bitcoin. «Vermögen können nicht eingefroren, beziehungsweise Transaktionen nicht zensiert werden», bestätigt Liniger. «Das neue, dezentrale Finanzsystem, welches auf Bitcoin und Blockchain basiert, ist zensurresistent.»
Heisst also, ein sanktionierter Oligarch könnte einen Privatflug mit Bitcoin bezahlen: «Das wäre ein mögliches Szenario, wenn der Flugbetreiber Bitcoin akzeptiert und keine Fragen dazu stellt.» Sie bleiben dementsprechend unter Umständen eine Kaufkraft. Zudem sei es möglich, dass Oligarchen vorgesorgt und eigene Brokerfirmen hätten, sagt Liniger.
«Es gibt also immer Wege.» Nichtsdestotrotz: Das US-Finanzdepartement hat sich ebenfalls schon mit der Frage befasst. Es hält das Risiko, dass sanktionierte Personen dennoch über die Kryptosphäre an Euros, Dollars oder Franken herankommen könnten, für gering.
Die amerikanische Tageszeitung «Politico» fasst es so zusammen: Zuerst einmal müsste jemand gefunden werden, welcher die Dienstleistung anbietet, was teuer sein könnte. Dann müsste das Geld gewaschen werden, was lange dauert. Ausserdem wäre die Aktivität im Kryptomarkt sehr wahrscheinlich gut sichtbar.