Coronavirus: Der Boom im Onlinehandel lässt wieder nach
In der Hochphase der Corona-Krise machte der Online-Handel das Geschäft seines Lebens. Doch jetzt, wo die Normalität zurückkommt, sieht alles wieder anders aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Krise verhalf dem Online-Handel zu einem neuen Hoch.
- Doch mit den ersten Lockerungen ging die Nachfrage bereits wieder zurück.
Der Onlinehandel hat während der Coronakrise stark zugenommen. Dass der Boom jedoch auch über die Coronakrise hinaus anhält, halten Experten für wenig wahrscheinlich. Kunden seien teils vom Einkaufserlebnis enttäuscht, weil Shops die hohe Nachfrage kaum bewältigen konnten.
Grosses Plus im April
Viele Onlinehändler machten während der durch die Behörden verhängten Ladenschliessungen das Geschäft ihres Lebens. Die Post lieferte im April so viele Pakete wie nie zuvor. Auch bei den sonst vorwiegend im stationären Detailhandel tätigen Unternehmen schnellten die Onlinebestellungen in die Höhe.
Bei der Migros beispielsweise verzehnfachte sich das Onlinegeschäft in dieser Zeit, wie Unternehmenssprecher Marcel Schlatter sagte. Die auf den Onlinehandel spezialisierte Migros-Tochter Digitec Galaxus wuchs ebenfalls deutlich schneller als in den Vorjahren.
Die Erfahrungen der Migros bestätigt auch ein Blick auf die Statistik. Gemäss einer Erhebung des Forschungsinstituts GfK legte der Onlinehandel im April um knapp 70 Prozent zu. Auch die Mitglieder des Verbandes Swiss Retail konnten ihre Verkäufe im Onlinehandel gemäss Geschäftsführerin Dagmar Jenni teils um bis zu 70 Prozent steigern.
Und dennoch sei nur ein Teil der weggefallenen Umsätze in den Läden durch Onlineverkäufe kompensiert worden. «In der Lockdown-Phase haben wir gesehen, dass nicht alle, die sonst stationär einkaufen, ihren Bedarf online gedeckt haben», sagte Jenni.
Unter dem Strich sanken die Verkäufe
Deshalb hoffe sie, dass sich die Lage wieder normalisiere. Ähnlich klang es auch bei der Migros: Die Onlineumsätze konnten die Umsatzeinbrüche in den Läden bei weitem nicht ausgleichen.
Ein Eins-zu-Eins-Ausgleich wäre kapazitätstechnisch auch kaum möglich gewesen, sagte Jenni: «Es gab Kapazitätsprobleme. Lieferzeiten konnten teils nicht eingehalten werden, die Logistik hat nicht bis ins letzte Detail funktioniert und teils wurden Produkte bei gewissen Plattformen als verfügbar angezeigt, die gar nicht vorhanden waren.»
Grosse Players kämpften mit Lieferverzögerung
Selbst die grössten Player im Onlinehandel seien an ihre Grenzen gekommen. Das habe sich auch auf das Kundenerlebnis ausgewirkt: «Stellen Sie sich vor, sie haben einen Stepper bestellt, um während des Lockdowns zu trainieren – und der ist erst angekommen, nachdem die Fitnesscenters schon wieder geöffnet waren», sagte Jenni. Das sei natürlich kein motivierendes Erlebnis, um künftig wieder online einzukaufen.
Bei Digitec Galaxus lag die Lieferverzögerung zwischenzeitlich bei drei Tagen. Das Unternehmen musste seine Logistik mit über 200 zusätzlichen Mitarbeitenden verstärken, um der grossen Nachfrage Herr zu werden. Nun sei man aber in aller Regel wieder pünktlich, sagte der Sprecher.
Dass teils Produkte verkauft würden, die nicht an Lager seien, sei jedoch gängige Praxis. Man sei mit den Zwischenhändlern in Kontakt und könne so gut abschätzen, wann ein Produkt lieferbar sei, sagte der Sprecher.
Online-Trend hält nicht für immer
Detailhandelsexperte Gotthard Wangler ist überzeugt, dass die Steigerung im Onlinegeschäft nur ein Ausreisser war, der auf die Krise zurückzuführen ist: «Im Juni wird die Kurve bereits wieder abflachen.»
Es werde im aktuellen Monat wieder eine zögerliche Entwicklung geben und die Verkäufe dürften sich auf Vorjahresniveau einpendeln. «Ich gehe nicht davon aus, dass die Konsumenten künftig weiterhin besonders viel online bestellen. Die Leute wollen die Produkte ansehen und anfassen. Das wird sich nicht plötzlich ändern.»
Dass die Onlineverkäufe bereits wieder zurückgehen, hat auch der Verband Swiss Retail festgestellt. Es sei erwiesen, dass die Konsumenten nach kurzfristigen Krisen wieder zu ihrem normalen Einkaufsverhalten zurückkehren, sagte die Expertin.
«Allerdings gibt es derzeit noch gewissermassen einen natürlichen Vorbehalt, wieder komplett stationär einzukaufen.» Das liege an den Schutzkonzepten, die nach wie vor eingehalten werden müssten, und der Tatsache, dass viele noch immer im Homeoffice sind.