Coronavirus: Kann sich Ischgl vom Seuchen-Image lösen?
Das Wichtigste in Kürze
- Der Tiroler Ski-Ort Ischgl gilt als Sündenbock der Verbreitung des Coronavirus.
- Jetzt will das Party-Mekka ein «Ischgl 2.0» lancieren.
- Ein Tourismus-Experte sieht durchaus Chancen für die Tourismus-Destination.
Mit Ischgl wird seit Wochen «Seuchenherd» oder «Corona-Keimzelle» assoziiert. Der Tiroler Après-Ski-Tempel will nun nach einer sechswöchigen Quarantäne aufräumen. Ende letzter Woche erklärte der Bürgermeister, er wolle quasi ein «Ischgl 2.0» lancieren.
Mehr Qualität, weniger Party. Gleichzeitig brodelt es aber noch immer in der Klage-Kammer. So haben 5000 Personen – darunter vor allem deutsche Urlauber – eine Sammelklage angekündigt und streben Schadenersatz in Millionenhöhe an.
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck ermittelt, ob die Behörden vom Coronavirus gewusst und es heruntergespielt haben.
Kann sich das Tiroler Party-Mekka denn überhaupt vom Seuchen-Image lösen? Ein Tourismus-Experte sieht dafür Chancen und vergleicht es mit Mallorca oder einem Terror-Anschlag.
Party-Tourismus wurde Ischgl erstmals zum Verhängnis
Weg vom Sauftourismus – das will seit Jahren auch die Insel Mallorca schaffen. Etwa durch strengere Regeln für den Verkauf und Konsum von Alkohol. Jürg Stettler, Professor am Institut für Tourismuswirtschaft an der Hochschule Luzern, sieht eine Parallele zu Ischl.
Jedoch nur bedingt: «Für Ischgl war das Party-Image bisher nie problematisch. Mallorca kämpfte über Jahre mit dem negativen Ballermann-Image.» Dasjenige von Ischgl wurde durch die Corona-Problematik erstmals negativ beurteilt.
Das könne man mit einem Terroranschlag auf eine Touristen-Destination vergleichen: «Passiert es einmalig, erholt sich eine solche Destination schnell.»
Trotz Anschuldigung wegen Coronavirus – womöglich bald noch mehr Gäste
Kurzfristig habe Ischgl sicherlich ein Problem, «doch das haben ganz viele andere Destinationen ebenso». Damit verbunden auch Restaurants und Bars: «Ihr Grundangebot lebt von der Nähe.»
Und doch hält Stettler die Idee eines «Ischgl 2.0» für sinnvoll. Indem die Tourismus-Verantwortlichen versuchen, das Angebot anzupassen und weitere Zielgruppen anzusprechen. «Wenn ihnen das gelingt, ist das eine riesige Chance.»
Denn man müsse gerade im Zusammenhang mit den vielen negativen Berichten beachten: «Ischgl hat durch die Situation mit dem Coronavirus noch mehr Bekanntheit erlangt.» Ein diversifiziertes Angebot könne Ischgl helfen, trotz dem «Seuchen-Image» neue Gäste anzulocken.
«Vielleicht haben sie bald sogar noch mehr Gäste. Dafür müssen sie die Berichterstattung aber für eine positive Message nutzen.» Doch schlicht zu sagen: «Wir sind nicht mehr nur Party», reichte natürlich nicht. Ischgl müsse schleunigst sein Angebot erweitern, wenn es das Party-Image abschütteln möchte.
«Kommt es zur zweiten Welle, wird es für alle schwierig»
Sowohl für Ischgl, wie auch den Schweizer Tourismus hange jedoch alles vom entscheidenden Faktor ab. «Kommt es zu einer erneuten Welle, wird es sehr schwierig. Dann könnte es bis 2021 gehen, bis sich der Tourismus vom Coronavirus etwas erholt», glaubt Stettler.
Ansonsten könne eine Normalität schon bald schrittweise Einzug halten. Auch wenn «Social Distancing» noch weiterhin gelte. «Gerade im Sommer verteilen sich die Massen im Vergleich zum Winter viel besser. Dichte-Probleme tauchen viel seltener auf, höchstens in einer Gondelbahn.»
Aber auch hier hätten die sonst üblichen Tourismus-Hotspots wie etwa der Titlis oder die Jungfrau-Bahnen die Möglichkeit, dies zu lenken. Durch Tröpfchen-System oder sonstige Massnahmen.