Coronavirus: Schaden Plastikscheiben mehr, als dass sie nützen?
Plexiglas-Trennwände sollen wegen des Coronavirus in Restaurants, Bussen und in Läden laut einer Studie kaum nützen. Virologe Andreas Cerny relativiert.

Das Wichtigste in Kürze
- In Restaurants, Bussen, Trams und Einkaufsläden kommen Plexiglaswände zum Einsatz.
- Eine neue Studie behauptet nun: Diese schaden gar mehr, als dass sie nützen.
- Virologe Andreas Cerny ordnet ein.
Wer hierzulande seit der Pandemie des Coronavirus Coop, Lidl, Migros, Volg oder Aldi besucht, muss Maske tragen. Zusätzlichen Schutz bieten jeweils auch die Plexiglaswände, die das Kassenpersonal von den Kunden trennt. Auch in Restaurants kommen die Trennscheiben oft zum Einsatz oder im öV.
Bisher ist man davon ausgegangen, dass diese Wände die Aerosole des Coronavirus an der Ausdehnung hindern. Nun aber kommt eine neue Studie zum Schluss: Dem ist gar nicht so. Eher im Gegenteil. So sollen die Plastikwände sogar eine erhöhte Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus hervorrufen.
Virenkonzentration bei Coronavirus in «toten Zonen» noch höher
Trotz der neuen Studie halten die Schweizer Detailhändler aber an den Scheiben fest. «Wir halten uns seit Beginn der Pandemie strikt an die Vorgaben von Bund und Kantonen», schreibt Aldi auf Anfrage. «Dabei setzen wir schweizweit auch auf die empfohlenen Plexiglas-Schutzwände an den Kassen.»
Auch seitens Lidl klingt es so. «Zum aktuellen Zeitpunkt ist der Abbau der Plexiglasscheiben nicht angedacht.» Ähnlich tönt es bei Volg und Coop.
Empfehlungen betreffend Coronavirus und Plexiglas betreffen KMU
Die von der Medienstelle angesprochenen Bundes-Vorgaben finden sich auf der Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Allerdings betreffen sie lediglich KMU – nicht die Grossverteiler.

Ein BAG-Mediensprecher stellt denn auf Nau.ch-Anfrage auch klar: «Das BAG hat keine Empfehlungen für Plastikwände gemacht, es hat jedoch Abschrankungen als Spuckschutz in Restaurants empfohlen.» Man verfolge die wissenschaftliche Diskussion und passe Empfehlungen allenfalls an.
Verband empfiehlt Trennwände
Die Swiss Retail Federation, der Verband des Schweizer Detailhandels, empfiehlt die Trennwände den Mitgliedern hingegen direkt. «Die Detailhandelsbranche hat schweizweit mehrere Millionen von Franken in diese Schutzwände investiert. Die Irritation wäre mehr als gross, wenn die Schutzwände nun mehr Gefahr als Schutz bieten.» Das sagt Geschäftsführerin Dagmar Jenni.
Ausserdem habe eine Untersuchung bei 38'000 Mitarbeitenden ergeben, dass die Inzidenz bei den Angestellten tiefer als in der Bevölkerung war. «Die Schutzkonzepte in der Gänze greifen also sehr gut», so Jenni. Auch die Gewerkschaft Unia lobt den Schutz.
Virologe gibt Entwarnung: «Studie wurde überinterpretiert»
Virologe Andreas Cerny bringt Licht ins Dunkel. Diese neue Studie zum Coronavirus habe Massnahmen, die an US-Schulen angewandt wurden, prüfen wollen. Ziel sei es gewesen, zu klären, ob man die Ansteckung von Familien-Mitgliedern verhindern könne. Allerdings habe sie auf einem auf Facebook publizierten Fragebogen basiert.

Cerny: «Die Autoren warnen aber vor einer Überinterpretation. Oder in anderen Worten: die Studie ist nicht in der Lage, die einzelnen Massnahmen und deren Effekt mit Präzision zu separieren.» Und: «Aus meiner Sicht ist diese Studie zwar interessant, aber vom ‹New York Times›-Journalisten überinterpretiert worden.»
Es könne aber natürlich durchaus sein, dass Plexiglaswände, falls unzweckmässig aufgestellt, die normale Belüftung eines Raumes behindern können. «Werden sie korrekt aufgestellt, wie zum Beispiel an einem Schalter, Kassen, Theken, Rezeptionen, können sie durchaus eine gute Schutzwirkung haben.»