Empa-Experte: Darum braucht es synthetische Treibstoffe
Politik und Industrie verbannen Benziner und Diesler. Empa-Experte Christian Bach erklärt im Interview, wie man mit dem Verbrenner das Klima retten kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Die EU will ab 2035 keine neuen Verbrenner-Autos mehr zulassen.
- Christian Bach sieht im Langstreckenbereich synthetische Treibstoffe als Alternative.
Nau.ch: Die EU-Kommission will Verbrenner verbieten. Die meisten Autobauer wollen ebenfalls den Benzin- und Dieselmotor verabschieden. Warum forschen Sie noch an synthetischen Treibstoffen?
Christian Bach*: Die Elektromobilität wird bis 2030 primär das Wachstum des Fahrzeugbestands auf der Welt abdecken. Zu diesem Schluss kommt eine jüngst publizierte Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger. Wir wollen mit unserer Arbeit dazu beitragen, dass Verbrennerfahrzeuge dort, wo sie eingesetzt werden, nicht mehr fossil, sondern erneuerbar betrieben werden. Synthetische Treibstoffe braucht es, um das Klima und nicht um den Verbrenner zu retten.
Nau.ch: Die E-Mobilität wird immer erschwinglicher. Über die Lebensdauer gerechnet ist ein Elektroauto bereits heute billiger. Warum sollte man künftig einen Verbrenner mit synthetischen Treibstoffen betreiben?
Die Strassenmobilität ist sehr heterogen – man kann nicht davon ausgehen, dass sich alle Bereiche gleich schnell elektrifizieren lassen. Wir haben beispielsweise 1,5 Millionen Fahrzeuginserate von Autoscout 24 analysiert. Dabei zeigte sich, dass die 30 Prozent Personenwagen mit den höchsten Laufleistungen gleich viel fahren, wie die 70 Prozent der Fahrzeuge mit den niedrigeren Laufleistungen. Langstreckenfahrzeuge sind bezüglich CO2-Emissionen sehr viel relevanter als Kurzstreckenfahrzeuge. Synthetische Treibstoffe sind insbesondere für solche Langstreckenanwendungen notwendig, beispielsweise für Plug-in-Hybride, für Spezialfahrzeuge wie Wohnmobile oder im Nutzfahrzeugverkehr.
Nau.ch: Sie deuten das Reichweiten-Problem der E-Autos an. Doch das hat sich längst erledigt. Selbst der Kleinwagen Renault Zoe kommt mit einer Akkuladung auf 300 Kilometer.
Das Problem bei einer Umstellung auf Elektromobilität für Langstreckenanwendung ist nicht die Reichweite der Fahrzeuge, sondern die Verfügbarkeit der Infrastruktur. Also die Anzahl Ladesäulen, oder die installierte Leistung, wenn dereinst sehr viele Elektroautos unterwegs sind. Eine Studie, die wir 2019 mit Audi und einer deutschen Hochschule veröffentlicht haben, zeigt, dass die Elektromobilität günstiger ist als Fahrzeuge mit synthetischen Treibstoffen – aber nur, wenn man zu Hause lädt. Nutzt man öffentliche Ladesäulen, ist E-Mobilität oftmals teurer. Und gerade das ist bei Langstreckenanwendungen oft der Fall.
Nau.ch: Sind nicht auch synthetische Treibstoffe sehr teuer?
Synthetische Treibstoffe sind – wie auch Elektrizität, Wasserstoff oder Biotreibstoffe, wenn sie gleich besteuert würden wie Benzin – nicht wettbewerbsfähig. Die fossilen Treibstoffe könnten aber über einfache Umlagekostenmodelle bis 2050 vollständig auf synthetische Treibstoffe umgestellt werden. Das würde zu einem Kostenanstieg von heute 1.60 Franken pro Liter Diesel oder Benzin auf maximal 2.40 pro Liter bis 2050 führen – inklusive einer vollen Mineralölbesteuerung. Dieser Anstieg würde mindestens teilweise durch Effizienzsteigerung wieder kompensiert. Allerdings ist damit auch klar, dass synthetische Treibstoffe für Standard-PW-Anwendungen zu teuer sind.
Nau.ch: Der Verbrennungsmotor macht seit rund zehn Jahren nur noch in Labortests Verbesserung in der Effizienz. Überschätzen Sie nicht das Potenzial?
Es gibt auf technologischer Ebene bei den Verbrennern schon klare Fortschritte. Nur ist es für Hersteller aufgrund der aktuellen Gesetzgebung billiger, fragwürdige Plug-in-Hybride mit veralteten Verbrennertechnologien zu bauen, als die technologischen Verbrenner-Fortschritte umzusetzen. Beispielsweise haben wir 2019 gemeinsam mit der ETH und Volkswagen einen 2-Liter-Gasmotor mit einem Wirkungsgrad von über 40 Prozent im grössten Teil des Betriebskennfelds präsentiert. Vor 10 Jahren haben nur grosse Lastwagendieselmotoren solche Wirkungsgrade erreicht.
Nau.ch: Das E-Auto hat allerdings einen besseren Wirkungsgrad.
Richtig. Deshalb sind E-Autos aus energetischer Sicht ja auch sehr interessant. Der Wirkungsgrad war allerdings primär im fossilen Zeitalter wichtig. Im zukünftigen Energiesystem sind andere Aspekte mindestens gleich wichtig – beispielsweise, wann und wo Energie bezogen wird. Aus Sicht des Klimas wäre die Fokussierung auf niedrigstmögliche CO2-Emissionen bei ganzheitlicher Betrachtung der richtige Ansatz. Das ist nicht immer die Version mit dem besten Fahrzeugwirkungsgrad.
Nau.ch: Wäre es nicht sinnvoll, synthetische Treibstoffe primär dort einzusetzen, wo es keine Alternativen gibt? Etwa in der Schiff- oder Luftfahrt.
Synthetische Treibstoffe haben eine teure Anlaufphase. Sie sind deshalb nur in Bereichen einsetzbar, wo man niedrige Energiekostenanteile hat und wo es hohe CO2-Reduktionsanforderungen gibt, etwa durch Androhung hoher Bussen. Das ist nur im PW und Lkw-Markt der Fall. Deshalb stellen wir uns vor, dass synthetische Energieträger in diesen Bereichen als Erstmarkt eingeführt werden, sich dann aber mit sinkenden Gestehungskosten in andere Bereiche verschieben. Einen Markteintritt direkt im Flug- oder Schiffsbereich oder in der Industrie halte ich aus wirtschaftlichen Gründen für nicht machbar.
Nau.ch: Damit wir synthetische Treibstoffe grüne produzieren können, braucht es überschüssigen Ökostrom. Davon haben wir viel zu wenig.
Synthetische Treibstoffe werden in nennenswerten Mengen nicht in der Schweiz hergestellt. Da man diese gut transportieren kann, ist das auch nicht nötig. In der Schweiz wird in Zukunft für die Mobilität nur Elektrizität und Wasserstoff hergestellt – allerdings in ausreichendem Masse nur im Sommer. Im Winter erhöhen Elektro- und Wasserstofffahrzeuge den Stromimportbedarf. Synthetische Energieträger sind deshalb auch eine von nur ganz wenigen Optionen für die Bereitstellung von erneuerbarer Energie im Winter.
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*Christian Bach ist Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme an der Empa in Dübendorf ZH. Die Abteilung besteht aus den Forschungsgruppen Fahrzeugsysteme, Antriebssysteme, Abgasnachbehandlung und synthetische Treibstoffe.