Finanzen Bern: Finanzplatz als verstecktes Dividendenparadies?
Während alle Welt auf die Wall Street schaut, erwirtschaften stille Schaffer abseits der Börse solide Renditen: Bäder, Brauereien, Bahnen – und Bobst.

Das Wichtigste in Kürze
- Der OTC-X-Markt ermöglicht einen transparenten Handel mit nichtkotierten Aktien.
- Die meisten Unternehmen sind grundsolide finanziert und stabilisieren jedes Portfolio.
- Die Bobst Group und andere Titel bieten attraktive Dividendenrenditen.
London, Zürich, Frankfurt – an diese europäischen Finanzplätze denken Anlegerinnen und Anleger zuerst. Dabei hat unsere Bundeshauptstadt viel mehr zu bieten, als es auf den ersten Blick scheint.
Zum Beispiel hat die Berner Kantonalbank (BEKB) den Markt für Aktien revolutioniert, die nicht über eine Börse gehandelt werden: Vor 21 Jahren rief sie die OTC-X in Leben. Damit lassen sich nichtkotierte Schweizer Papiere transparent über diese elektronische Plattform erwerben. Und sie wechseln nicht mehr in geheimen Hinterzimmern die Hand.
Immer mehr Banken bieten Zugang zur OTC-X an.
Weniger Schlagzeilen, mehr Stabilität
Die Nebenwerte an der OTC-X schreiben zwar weniger Schlagzeilen als die Blue Chips an der Schweizer Börse. Dafür sind viele von ihnen mit Eigenkapitalquoten von über 50 Prozent solide finanziert – und bringen Stabilität ins Portfolio: «Die Aktien am OTC-X-Markt schwanken oft weniger stark als die kotierten Titel», sagt Sascha Hitz, OTC-X-Spezialist bei der BEKB.

Zudem ermöglichen die ausserbörslichen Titel spannende Investitionen in Branchen, in die man sonst kaum investieren kann: Bergbahnen wie die Stanserhorn Bahn, Tourismusunternehmen wie die Bad Schinznach AG und das Thermalbad Zurzach, Casino- und Brauereiaktien wie das Stadtcasino Baden und der Schützengarten St. Gallen.
Attraktive Aussichten für 2025
Auch die Perspektiven sprechen für den OTC-X-Markt. «Die meisten gehandelten Aktien haben 2025 an Wert gewonnen. Der positive Trend dürfte anhalten – solange sich die weltpolitische Lage nicht drastisch ändert oder die Wirtschaft einbricht», sagt Hitz.
Und die Risiken?
Genau gleich wie bei börsenkotierten Aktien. Der Kurs hängt von der Entwicklung des Unternehmens ab. Nur für institutionelle Anleger, die grosse Pakete kaufen wollen, könnte es manchmal eng werden. Hitz: «Vereinzelte OTC-X-Titel sind weniger gut handelbar. Da kann es länger dauern, grosse Mengen zu kaufen oder zu verkaufen. Viele Titel sind aber sehr gut handelbar und liquide».
Dividendenperle Bobst
Besonders interessant an der OTC-X: Die Plattform ist ein Paradies für Dividendenperlen. Symptomatisch dafür ist die Bobst Group. Seit über 130 Jahren wird sie von der Familie Bobst geführt. Ende 2022 hat der Verpackungsmaschinenbauer entschieden, sich von der Schweizer Börse zurückzuziehen. Damit spart er sich einiges an administrativem Aufwand. Dennoch bleiben seine Papiere einfach erhältlich – über die OTC-X.
Selbst bei Gegenwind schlägt sich die Bobst Group wacker. So dürfen sich Aktionäre auf eine Dividendenrendite von rund 7,4 Prozent freuen. «Bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,6 scheint die Aktie fair bewertet», schreibt Karim Serrar, Analyst bei Zern & Partner GmbH, in einer aktuellen Unternehmensanalyse: «Das Geschäftsmodell mit stetig steigenden margenstarken Service-Aktivitäten trägt erheblich zu der starken Resilienz von Bobst bei.»
Die OTC-X zieht zwar nicht unbedingt globales Kapital an. Dafür ist sie der beste Spiegel für bewährte Schweizer Tugenden.
Stephan Lehmann-Maldonado hat schon als Kind Münzen gesammelt und sich während seines Wirtschaftsstudiums an der Universität Zürich auf Banking und Finance spezialisiert. Parallel dazu, schrieb er bereits für Wirtschaftsmedien, unterrichtete als Handelslehrer und vertiefte sein Wissen in der Bankpraxis. Heute führt er eine Agentur für klare Kommunikation – und freut sich, wenn sich auch die Finanzbranche damit anfreunden kann.
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Zum Autor:
Stephan Lehmann-Maldonado hat schon als Kind Münzen gesammelt und sich während seines Wirtschaftsstudiums an der Universität Zürich auf Banking und Finance spezialisiert.

Parallel dazu, schrieb er bereits für Wirtschaftsmedien, unterrichtete als Handelslehrer und vertiefte sein Wissen in der Bankpraxis. Heute führt er eine Agentur für klare Kommunikation – und freut sich, wenn sich auch die Finanzbranche damit anfreunden kann.