Gewerkschaftsmitglieder entlassen, Löhne nicht bezahlt: Ein Lieferant von Tally Weijl in Myanmar macht während der Corona-Krise eine schlechte Figur.
Kleiderfabrik Myanmar
Arbeiter in Kleiderfabriken in Myanmar verdienen 3,50 Dollar pro Tag. - Public Eye
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wegen des Coronavirus hat eine Kleiderfabrik in Myanmar hunderten Angestellten gekündigt.
  • Unter den 324 Entlassenen sind 298 Gewerkschaftsmitglieder.
  • Die Fabrik ist ein Lieferant der Schweizer Modekette Tally Weijl.

Myanmar gilt als neues Boomland der Billigmode. Über ein halbe Million Menschen beschäftigt die lokale Kleider-Industrie mittlerweile. Auch, weil die Kosten tief sind: Der Mindestlohn ist mit 3,50 Dollar pro Tag einer der tiefsten in ganz Asien.

Für ein anständiges Leben reicht dies kaum. Und mit der Corona-Krise sind die Fabrikarbeiter noch stärker unter Druck gekommen. Weil in westlichen Ländern die Kleiderläden geschlossen waren, wurden in Asien tausende Jobs in der Textil-Industrie abgebaut.

Gewerkschaftsmitglieder entlassen

Ein Fall betrifft die Fabrik Rui Ning, wo auch die Schweizer Modekette Tally Weijl produziert. Anfang April wurde über ein Viertel der 1158 Beschäftigten auf die Strasse gestellt. Als Grund wurden Corona-Schutzmassnahmen genannt.

Unter den 324 Entlassenen befinden sich 298 Gewerkschaftsmitglieder. Die Nichtregierungsorganisation Public Eye, welche den Fall öffentlich gemacht hat, vermutet eine gezielte Unterdrückung der Gewerkschaften. Denn diese hatten kurz zuvor die unsicheren Arbeitsbedingungen während der Corona-Krise kritisiert.

Entlassen wurde auch der Gewerkschaftspräsident. Dieser wurde zudem von vier Männer mit einem Messer angegriffen, blieb dabei aber unverletzt. Public Eye geht von einem Einschüchterungsversuch aus.

Teil der Löhne nicht bezahlt

Damit nicht genug: Gemäss den Gewerkschaften vor Ort hat das Management die Löhne für April und Mai nur teilweise ausbezahlt. Und als Mitte Juni ein Feuer in der Fabrik ausbrach, wurden die Arbeiter nicht evakuiert, sondern zum Weiterarbeiten genötigt.

Kleiderfabrik Myanmar
In Myanmar werden primär Kleider für den europäischen Markt hergestellt. - Public Eye

Die Gewerkschaften fordern, dass der Gewerkschaftspräsident wieder eingestellt wird und – sobald sich die Lage normalisiert – auch die übrigen Arbeiter. Zudem sollen die Sicherheitsbedingungen verbessert und unbezahlte Löhne ausgezahlt werden.

«Wir können die Situation aktuell nicht abschliessend beurteilen», sagt Tally-Weijl-Sprecherin Bianca Sameli. Man stehe mit allen Parteien in Kontakt und hole entsprechende Nachweisdokumente ein. «Wir nehmen die Vorwürfe ernst und sind selbstverständlich an einer Lösungsfindung interessiert. Um die Verhandlung zu fördern, ist ein Treffen zwischen den Parteien angesetzt, bei dem ein Vertreter von Tally Weijl anwesend sein wird.»

Lieferanten werden geprüft

Sameli hält fest, dass alle Lieferanten vor Beginn einer Zusammenarbeit geprüft werden. «Nur wer unseren strikten Standards genügt, wird angenommen. Natürlich führen wir auch nachfolgend regelmässige Audits und Kontrollen dieser Standards durch.» Der genannte Lieferant sei bisher nicht negativ aufgefallen.

Gemäss Public Eye sind Massenentlassungen von Gewerkschaftsmitgliedern in Rui Ning keine Seltenheit. Die Nichtregierungsorganisation weiss von zwei Fabriken, wo Gewerkschaften mutmasslich unterdrückt werden. In allen drei Fabriken produzieren Zara-Mutterkonzern Inditex und Bestseller.

Tally Weijl war während der Corona-Krise stark mit sich selbst beschäftigt. Wegen des Lockdowns stand die Firma vor dem Konkurs. Erst gestern gab das Unternehmen bekannt, dass die Zukunft – dank eines riesigen Covid-Kredits – gesichert sei.

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