Ist smart = besser? Eine Reise durch den Begriffsdschungel «Smart City»

Tsüri.ch
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Zürich,

Smart ist das neue Sexy: Alle wollen einen Beitrag zu einer smarten Vision der Welt beisteuern – Smart City halt. Doch was bedeutet all dieses Gerede über Smart überhaupt? Tsüri.ch nimmt euch mit auf eine Reise, die zwar keineswegs absolute Klarheit schafft, aber versucht, Licht in den Dschungel der Smart-Experten*innen zu bringen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Zürich will eine Smart City werden - eine intelligente Stadt: Vernetzt, digital und effizient.
  • Menschen aus Privatwirtschaft und Politik sind hellbegeistert vom Thema.
  • Die Bevölkerung selbst wird aber kaum in die Diskussion integriert.

Ganz ehrlich, «Smart City» war mir vor unserem Civic-Media-Pilotprojekt kein Begriff. Da hocke ich also auf meinem Bürostuhl und frage mich, was denn das eigentlich bedeuten soll. Gemäss meinen Englischkenntnissen soll «Smart City» ja eine intelligente Stadt sein. Super, erster Anhaltspunkt geschafft. Zweiter Anhaltspunkt: Google. 47'300'000 Resultate innert 0,59 Sekunden. Wikipedia-Einträge, News-Artikel und ganz weit oben «Smart City Schweiz». Das kann ja heiter werden.

Fangen wir doch am besten bei dem Bundesamt für Energie an. Die haben nämlich eine Webseite, die sich nur auf «Smart City» fokussiert. Analog zu «Energiestadt»gibt es nun auch das «Smart City»-Programm, welches die Chancen bei der Planung und Realisierung von städtischen Projekten durch vernetztes Handeln aufzeigen soll. Definiert werden sechs Themenbereiche einer «Smart City»:

Städtische Energie-Masterplanung

Aktive Gebäude

Smart Grids und Energieversorgung

Intelligente Mobilität

Kommunales Management

Stakeholder

Also integrierte Energiesysteme, mehr Effizienz sowie Kommunikation zwischen den verschiedenen Energiespeichern und -erzeugern. Gut, mir bleiben hier vor allem die Stichworte Energie und Effizienz. Ich kann der Webseite aber auch entnehmen, dass eine «Smart City» vor allem den Bewohner*innen eine «hohe Lebensqualität bei minimalem Ressourcenverbrauch dank intelligenten Verknüpfungen von Infrastruktursystemen» bieten soll.

Das klingt bisher alles sehr rosig. Wir Stadtbewohner*innen sollen also einen besseren Lebensstandard bekommen. Auch bei meiner restlichen Recherche bleibt der Grundtenor so: Mit Smart ist die Welt ein besserer Ort. Nice. Aber was bedeutet diese Veränderung ganz konkret für uns Bewohner*innen? Gibt es auch eine Kehrseite? Was passiert eigentlich mit der riesigen Datenmenge, die für «Smart City» gebraucht wird? Wem gehören die Daten? Was passiert mit den Leuten, die nicht dazugehören können oder wollen? Werden wir als Bürger*innen plötzlich Passagiere? Können wir als Bewohner*innen überhaupt bei dieser Entwicklung mitreden?

Nimmt man am SmartSuisse Kongress in Basel teil, scheinen diese Fragen unwichtig. «Smart up Your City», so der Slogan des Kongresses, der bereits zum zweiten Mal durchgeführt wurde. Im Vordergrund: intelligente Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung in der Schweiz und International. Das Line-up ist nicht schlecht: Microsoft, Swisscom, Siemens, SBB, Post, cisco – alle mit dabei. Kein wichtiger Player will diese Möglichkeit, sich zu präsentieren und seine Vision von «Smart City» (die natürlich die Beste ist) vorzustellen, verpassen.

Ich bin auch dabei – für Tsüri.ch und auf der Suche nach Sponsoren für unser Projekt. Mit meinem orangenen Blazer und meinen jungen Jährli falle ich etwas aus dem Rahmen. Frauenanteil: max. 10 Prozent. Altersdurchschnitt: 45+. Dresscode: Business Casual, aber bitte nicht zu bunt, gell!

Auch hier herrscht der Grundtenor «Positiv+». Inhaltliche Schwerpunkte des «Strategiekongresses», wie sich die SmartSuisse selbst nennt, sind Smart Governance, Smart Urban Mobility und Smart Resources. Der Grad an Spannung und Aussagekraft der Referate variiert dabei massiv: Von Visionär*innen, die Lust auf Mehr machen, bis hin zu Schnarchnasen, bei denen ich mich frage, was zum Henker die eigentlich auf dem Podium zu suchen haben. Eindeutig bleibt aber folgendes: Keine kritischen Stimmen, keine Grassroot-Organisationen – die Bevölkerung bleibt aussen vor.

Was bedeutet das konkret für uns? Ich kann es euch nicht sagen. Momentan sind Privatwirtschaft und Politik zu sehr mit sich selbst und ihrer Vision von «Smart City» beschäftigt und vergessen dabei völlig, dass eine «Smart City» ja den Stadtbewohner*innen dienen soll. Also wäre es ja eigentlich nicht schlecht, diese zu informieren und vor allem miteinzubeziehen, oder?

Es gibt bereits einige Firmen, die das nach und nach begreifen. Beispielsweise die Swisscom, welche an einer Ausarbeitung von «Human Smart City» arbeitet – also der Mensch im Zentrum (Applaus, Applaus); oder Elektron, welche die Plattform «Me and my Smart City» schuf, wo jeder, der will, Ideen für eine «Smart City» posten kann. Aber wo Letzteres an der Teilnahme der Bevölkerung scheitert, hat Ersteres eine Flughöhe, welche weit über den Köpfen der Stadtbewohner*innen liegt.

Frauenanteil: max. 10 Prozent. Altersdurchschnitt: 45+. Dresscode: Business Casual, aber bitte nicht zu bunt, gell!

Hier kommt Tsüri.ch ins Spiel. Unser erstes Civic-Media-Projekt behandelt das Thema Smart City und nennt sich «Smart Tsüri» – originell hä?! Wir wollen genau das erreichen, was ich jetzt in vielen Buchstaben kritisiert habe: Nämlich die Bevölkerung und Stadtbewohner*innen miteinbeziehen, ihnen die Verheissung näherbringen, aber auch auf die Kehrseite hinweisen, über aktuelle und zukünftige Entwicklungen debattieren.

Natürlich konnten wir von Tsüri.ch es auch nicht unterlassen, eine eigene Definition auszuarbeiten:

«Smart City beschreibt einen Prozess, durch welchen Städte versuchen mit Hilfe von digitalen Technologien die Effizienz städtischer Dienste und Infrastrukturen zu verbessern, Kosten und Energieverbrauch zu reduzieren, wodurch sich Städte und Unternehmen eine höhere Lebensqualität für die Stadtbewohner*innen versprechen. Es ist der optimale Gebrauch aller verfügbaren, vernetzten Informationen, um die Bedürfnisse der Stadtbewohner*innen besser zu verstehen und den Einsatz der limitierten Ressourcen zu optimieren. Der Prozess ist gekennzeichnet durch die permanente Interaktion zwischen Stadtbewohner*innen und der sie umgebenden Technologie. Der weltweite Umbau von Städten zu Smart Cities wird begleitet von kritischen Fragen im Bezug auf Kontrolle und Überwachung, die soziale Inklusion der Systeme, die Eigentumsverhältnisse und Verwertungslogiken bei Systemen und Daten, sowie Datensicherheit.»

Damit Smart wirklich das neue Sexy ist und bleibt, müssen wir die Stadtbewohner*innen miteinbeziehen. Schluss mit B2B (Business to Business) – wir wollen B2C, nämlich Business to Community und C2B – Community to Business. Tsüri.ch-Style halt. Diskutieren wir gemeinsam das Zusammenleben der Zukunft – das Zusammenleben in einer «Smart City».

handy
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