Mindestlohn: Coiffeure warnen vor höheren Preisen & Entlassungen
Die Genfer Stimmbevölkerung hat sich für einen Mindestlohn ausgesprochen. Viele Branchen schweigen aber die Coiffeure schlagen Alarm.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Kanton Genf führt einen Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde ein.
- Coiffeure warnen vor Entlassungen und Preiserhöhungen.
- Nach der Einführung eines Mindestlohnes sank in Neuenburg die Arbeitslosigkeit.
Bald hat Genf einen Mindestlohn. 58 Prozent der Stimmbürger haben sich am Sonntag dafür ausgesprochen. Jeder Angestellte im Grenzkanton kriegt künftig mindestens einen Stundenlohn von 23 Franken. Laut Gewerkschaften dürfte jeder zehnte Angestellte profitieren – rund 30'000 Personen.
Nicht zum ersten Mal hat die Genfer Stimmbevölkerung über einen Mindestlohn abgestimmt. 2011 und 2014 wurde das Anliegen allerdings klar abgeschmettert.
Einfluss dürfte dieses Mal die Corona-Krise gehabt haben. Die höhere Arbeitslosigkeit hat die Genfer verunsichert. Gleichzeitig sind in den Kantonen Neuenburg und Jura die von der Wirtschaft gemalten Horrorszenarien bei der Einführung eines Mindestlohnes nicht eingetroffen.
Mit 23 Franken ist der Stundensatz allerdings drei Franken höher. Der höhere Betrag wird in Genf mit höheren Lebenskosten gerechtfertigt.
Kaum Auswirkung auf Migros
Nau.ch hat sich in mehreren Branchen umgehört. Unisono heisst es, dass man sich an das neue Gesetz halten werde. Über konkrete Auswirkungen sprechen wollen die wenigsten. Betroffen sind mehrere Bereiche: darunter Gastronomie, Coiffeure oder der Detailhandel.
Von den befragten Detailhändlern sagt einzig Migros, was Sache ist. Das festangestellte Personal sei nicht tangiert, da die Löhne höher lägen. «Betroffen sind nur 320 Studenten, die ein paar Stunden pro Woche für die Genossenschaft Migros Genf arbeiten», sagt Sprecher Tristan Cerf. Diese haben aktuell einen Stundenlohn von 22,50 Franken.
Dramatischer sind die Auswirkungen auf die Coiffeure. Damien Ojetti, Zentralpräsident von Coiffuresuisse, erklärt: «Das ist der erste kantonale Mindestlohn, welcher aufgrund seiner Höhe wohl Auswirkungen auf die Struktur und die Beschäftigung haben dürfte.»
27 Prozent mehr Lohn für ungelernten Berufseinsteiger
Er kritisiert die fehlende Differenzierung. Bei einer branchenüblichen 43-Stundenwoche betrage der Mindestlohn 4255 Franken pro Monat. «Damit erhält ein Ungelernter, der etwa in einem Barbershop arbeitet, im ersten Berufsjahr eine Lohnerhöhung von 27 Prozent.»
Ojetti blickt düster in die Zukunft: «Die Auswirkung auf die Kosten in einem Salon sind derart gross, dass Preiserhöhungen und Entlassungen kaum zu vermeiden sein dürften.»
In der Coiffeur-Branche gib es einen GAV mit definierten Mindestlöhnen. Die Einstiegslöhne liegen teils klar unter dem, was das Genfer Stimmvolk am Sonntag angenommen hat.
Unia-Sprecherin Silja Kohler erklärt: «Nur vereinzelte Löhne in Gesamtarbeitsverträgen, die für den Kanton Genf gelten, sind noch nicht auf dem Niveau des kantonalen Mindestlohnes und müssen angepasst werden». Der Genfer Mindestlohn gehe allerdings einem tieferen GAV-Mindestlohn vor.
Bezüglich Arbeitslosigkeit verweisen die Gewerkschaften auf den Kanton Neuenburg. Nach der Einführung des Mindestlohnes im Sommer 2017 ist die Quote innert zwei Jahren von 5,2 Prozent auf 3,1 Prozent gesunken. Damit sank während dieser Zeit die Arbeitslosigkeit so schnell, wie sonst nirgendwo in der Schweiz. Allerdings dürften hier auch andere Faktoren mitgespielt haben.
Der Mindestlohn wurde 2014 zwar national wuchtig abgelehnt, dennoch facht die Debatte nun auch in der Deutschschweiz wieder auf. Anfang 2019 haben Gewerkschaften eine Mindestlohninitiative in Basel-Stadt eingereicht. Nächstes Jahr wird darüber abgestimmt.