NGO erklärt Pharma-Trick: Treibt Novartis-Patent Kosten in die Höhe?

Christoph Krummenacher
Christoph Krummenacher

Bern,

Novartis patentiert ein eingekauftes Verfahren. Das sorgt bei NGOs für rote Köpfe – und treibe die Gesundheitskosten unnötig in die Höhe, kritisieren sie.

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Das Produktionsgebäude von Novartis in Muttenz. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Novartis lässt ein Verfahren patentieren, das von einer Uni entwickelt wurde.
  • Das stört die NGO Public Eye: Es handle sich nicht um eine eigentliche Erfindung.
  • Zudem treibe die Praxis die Gesundheitskosten damit ungerechtfertigt in die Höhe.

Die Novartis gibt nach und zieht ein Patent zurück. Es ist das zweite von insgesamt drei. Mit dem dritten Patent kann sich der Basler Pharmariese für 20 Jahre weiterhin das Monopol auf Kymriah sichern.

Diese Krebstherapie ist ein Verfahren, bei welchem dem Patienten Blutzellen entnommen werden und so verändert, dass sie nach dem Wiedereinspritzen die Krebszellen bekämpfen. Novartis nennt für Kymriah 370'000 Franken pro Dosis.

Das Problem: Das Verfahren wurde nicht von Novartis, sondern von der Universität Pennsylvania entwickelt. 2012 verkaufte die Uni die Lizenz dazu an Novartis – exklusiv. Kritiker monieren, eine solche Behandlung solle der akademischen Medizin überlassen werden. Auf Bluttransfusionen gebe es schliesslich auch keine Patente.

Hat Novartis überhaupt Anspruch auf eine Patentierung?

Die Schweizer NGO «Public Eye» hat zusammen mit «Médecins du Monde» beim Europäischen Patentamt EPA Einspruch gegen das Patent eingereicht. Wie Public-Eye-Sprecher Oliver Classen erklärt, sind die Organisationen noch nicht zufrieden.

Es würden nun mögliche Rechtswege überprüft, auf denen das letzte Novartis-Patent in Frage gestellt werden könne. «Dessen Ansprüche basieren nämlich auf sehr ähnlichen Argumenten wie jenes Patent, das wir erfolgreich beanstandet haben», so Classen. Da die Einspruchsfrist beim EPA allerdings abgelaufen ist, müsse der Einspruch auf anderer Ebene geschehen.

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Oliver Classen von der unabhängigen Nichtregierungsorganisation Public Eye. - public eye

Classen erklärt die grundsätzliche Kritik: «Patente werden nicht für blosse Innovationen, sondern nur für genuine Erfindungen erteilt. Ein Kernkriterium ist die grundsätzliche und noch unveröffentlichte Neuigkeit.»

Doch: «Die Kymriah-Technologie war aber schon bekannt und publiziert, bevor der Antrag eingereicht wurde, deshalb ist es keine Erfindung. Es kann zwar trotzdem nützlich und therapeutisch sinnvoll sein, ist aber aus genannten Gründen nicht patentierbar.» Dagegen richtet sich die Kritik der NGO.

«Novartis und die University of Pennsylvania glauben fest an die Bedeutung der geistigen Eigentumsrechte als Anreiz für bahnbrechende Innovationen wie Kymriah», sagt Novartis auf Anfrage. Das zurückgezogene Patent sei jedoch für die weitere Entwicklung und Vermarktung von Kymriah nicht entscheidend und wurde daher zurückgezogen.

Bezüglich der Einsprache gegen das dritte Patent sagt Novartis: «Wir sind bestrebt, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um Patienten, die von Kymriah profitieren können, den Zugang zur Therapie zu ermöglichen.»

Pharmakonzerne lagern das Entwicklungsrisiko aus

Der Fall Kymriah illustriere ein grundsätzliches Problem, so Classen. So würde die Pharmaindustrie stets behaupten, die hohen Preise seien durch die hohen Risiken, also: die vielen Fehlschläge, und hohen Forschungskosten gerechtfertigt.

Doch mit dem Einkauf – statt der Eigenentwicklung – neuer Wirkstoffe reduzieren sie ihr Risiko. In der Frühphase ist dieses nämlich am höchsten, erklärt Classen. «Diese erste Entwicklungsstufe wird also nicht mehr durch Pharmakonzerne, sondern mehr und mehr von öffentlichen Geldern oder Start-ups finanziert.»

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Die Pharma-Branche exportiert Waren für Milliarden nach China. - Keystone

Deshalb sollten Übernahmen und Einkäufe, wie beim Kymriah-Verfahren, auch nicht als Forschungskosten gelten. «Zudem wird die Finanzierung durch die öffentliche Hand kaum im Endpreis mitgerechnet. Wir zahlen also zweimal für das Produkt: Einmal durch Steuergelder für die Entwicklung und einmal durch unsere Prämien für den häufig überrissenen Preis.»

Für Classen ist darum klar: «Die aktuelle Preispolitik der Pharmakonzerne treibt die Gesundheitskosten ungerechtfertigt in die Höhe und führt mittelfristig zu einer Zweiklassenmedizin.»

Novartis: Therapie für viele statt für wenige Patienten

Novartis erklärt, die Rolle von Universitäten bei der Förderung medizinischer Innovationen zu erkennen und zu akzeptieren. «Wir haben einen für wenige Patienten etablierten Prozess in ein Produkt umgewandelt, das weltweit mit gleichbleibender Qualität für eine grosse Anzahl von Patienten hergestellt werden kann.»

Die Therapie Kymriah biete Patienten, Gesellschaft und Gesundheitssystemen einen erheblichen Mehrwert als individualisierte, einmalige, potenziell lebensverlängernde transformative Behandlungsoption, die eine dauerhafte Lösung für Patienten bietet, welche ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit schneller sterben würden.

«Die Einführung und Vergütung von einmaligen individualisierten Therapien wie Kymriah erfordert von allen Beteiligten ein Umdenken, wie unser Gesundheitssystem mit Patienten umgeht, behandelt und betreut», schreibt Novartis zum Vorwurf des Kostenanstiegs.

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