Nach NGO-Kritik: Novartis zieht Patent für Krebsmedikament zurück
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei NGOs haben gegen ein Patent von Novartis Einspruch eingereicht.
- Der Pharmariese zieht zwei von drei Patenten für ein 370'000.– teures Verfahren zurück.
- Novartis hat eine Zelltherapie einer Uni kopiert – das ist gemäss NGO nicht patentierbar.
Novartis zieht auf Druck von Nichtregierungsorganisationen ein weiteres Patent auf seine Zelltherapie Kymriah zurück. Laut Konzernangaben hat das zwar kaum Auswirkungen auf die Vermarktung seiner Krebstherapie.
Doch der Fall zeigt: Weil Kymriah eine Therapie und kein Medikament ist, wird es für Novartis schwierig, die Therapie exklusiv und entsprechend teuer anzubieten. Denn Spitäler können ähnliche Behandlungen durchführen.
Kampf gegen Monopolstellung
Die zwei Nichtregierungsorganisationen (NGO) Public Eye und «Médecins du Monde» hatten beim Europäischen Patentamt (EPA) Einspruch gegen das Patent eingereicht. Sie kämpfen damit gegen eine Monopolstellung des Pharmariesen durch solche Patente.
Die Monopolstellung ermögliche überrissene Preise, schrieb Public Eye in einer Mitteilung vom Montag. Public Eye begründet den Einspruch damit, dass Kymriah kein Medikament sei, sondern eine medizinische Dienstleistung.
«Der Rückzug bestätigt indirekt den missbräuchlichen Charakter des Patents und zeigt Novartis' Angst vor einem Präzedenzfall», sagt Public-Eye-Sprecher Oliver Classen. «Dieser Etappensieg für Public Eye ist ein Gewinn für unser Gesundheitswesen.»
Verfahren von Uni abgekauft und patentiert
Die Patente auf die neuartige Zelltherapie Kymriah sind umstritten. Denn: Bei Kymriah handelt es sich um ein Verfahren und nicht um ein Medikament: Blutzellen werden dem Patienten entnommen und so verändert, dass sie nach dem Wiedereinspritzen die Krebszellen bekämpfen.
Das Verfahren ähnelt daher einer Organtransplantation. Es ist indes auch gar nicht von Novartis erfunden worden. Es baut nämlich auf der Vorentwicklungen und Mitfinanzierung durch öffentliche Forschungsanstalten und Universitätskliniken auf: Das jetzt zurückgezogene Patent lag bei der University of Pennsylvania. 2012 war diese eine Zusammenarbeit mit Novartis eingegangen.
Kritiker monieren, eine solche Behandlung solle der akademischen Medizin überlassen werden und gehöre nicht in die Hände der Industrie. Auf Bluttransfusionen gebe es schliesslich auch keine Patente.
Novartis hatte das Patent jedoch von der University of Pennsylvania einlizenziert, das Verfahren damit privatisiert und geschützt. Novartis hat nun durch das Patent auf dem Verfahren für 20 Jahre das Monopolrecht und kann sich damit hohe Preise sichern.
Noch hält Novartis ein drittes Patent
Als Preis hat Novartis die Summe von 370'000 Franken ins Spiel gebracht. Allerdings soll der tatsächliche Preis, den die Krankenkassen zahlen, laut Novartis «klar darunter» liegen. Denn: Obwohl Novartis mittlerweile auf zwei Patente auf Kymriah verzichtet hat – noch immer hält der Basler Pharmakonzern ein drittes. Und mit diesem die Monopolstellung.
Für die Schweizer NGO Public Eye ein No-Go: «Wir überlegen, ob wir nun auch gegen das dritte bestehende Patent auf Kymriah vorgehen», sagt Public-Eye-Sprecher Oliver Classen zum «Tagesanzeiger».
Denn es sei nicht davon auszugehen, dass Novartis auch dieses freiwillig zurückziehe. Das Patentamt müsse daher ein Leit-Urteil fällen: Ist diese Zelltherapie überhaupt erfinderisch genug, um darauf ein Patent anmelden zu können? Denn etwa auch der US-Biotech-Hersteller Gilead vermarktet eine gleiche Therapie wie Kymriah.
Das Problem für eine offizielle Patentklage: Die offizielle Frist ist bereits abgelaufen. Patente können beim Europäischen Patentamt nur in den ersten neun Monaten angefochten werden. Public Eye prüft deshalb andere Wege, um zu einem eventuell endgültigen Schlag gegen Kymriah auszuholen.