Rechtsexperte zu Arbeitszeit im Zug: «Koordination wird schwieriger»
Wer auf dem Weg zur Arbeit bereits arbeitet erhält nicht unbedingt Lohn dafür. Der Arbeitsrechtsexperte erklärt, was beachtet werden muss.
Das Wichtigste in Kürze
- Beamte können künftig schon im Zug arbeiten. Private häufig erst im Büro.
- Der Arbeitsrechtsexperte erklärt, worauf es bei einer entsprechenden Regelung ankommt.
In den Zug einsteigen und einstempeln: Bundesangestellte, die zur Arbeit pendeln, können künftig bereits im Zug arbeiten, falls der Vorgesetze dies erlaubt. Die neue Regelung gilt ab erstem Januar.
Die Privatwirtschaft ist diesbezüglich zurückhaltender. Nur etwa jeder Zwölfte verdient während dem Weg zur Arbeit. Ein Grund ist die Rechtslage. «Der Weg zu und von der Arbeit gilt nicht als Arbeitszeit», hält das Arbeitsgesetz klipp und klar fest.
Arbeitszeit muss in jedem Fall erfasst werden
Das bestätigt auch Nicolas Facincani, Rechtsanwalt in Zürich und spezialisiert auf Arbeitsrecht. Allerdings: «Schreibt jemand im Zug geschäftliche E-Mails oder muss er telefonieren, gilt das als Arbeitszeit – unabhängig von der neuen Regelung, welche für den Bund gelten soll.»
Diese Zeit müsse allerdings auch als Arbeitszeit erfasst werden, denn in der Schweiz gilt die allgemeinen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.
Und: Der Arbeitnehmer muss die Tätigkeit zudem beweisen, wobei dies im Konkreten stets schwierig sei. «Man könnte die Emails vorweisen. Oder auch die Telefonverbindungen. Bei Streitigkeiten müsste das Gericht entscheiden», so Facincani.
Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband ergänzt: «Für Mitarbeiter ohne Kaderfunktion, die ihre Arbeitszeit erfassen, ist das Arbeiten im öV aufgrund der gesetzlichen Vorschriften nur ausnahmsweise und mit einer klaren Regelung möglich.»
Er verweist darauf, dass alle flexiblen Arbeitsformen die Motivation des Personals verbessern und damit die Arbeitszufriedenheit steigern können.
Neben dem Arbeiten im Zug gebe es – Digitalisierung sei Dank – verschiedene weitere flexible Arbeitsmodelle wie etwa Home-Office oder Coworking. «Vor allem für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Home-Office wichtiger als das Arbeiten unterwegs.»
Arbeitsrechtsexperte: Führung wird anspruchsvoller
Rechtsanwalt Facincani geht davon aus, dass Regelungen wie jene beim Bund künftig auch in der Privatwirtschaft zunehmen werden. «Das flexible Arbeiten ist im Trend. Sodann wird die Arbeitszeiterfassung vereinfacht.»
Um den Grundsatz im Arbeitsgesetz zu umgehen ist dabei eine explizite Regelung im jeweiligen Arbeitsvertrag nötig. Dabei könne die Formulierung frei gewählt werden. Etwa in Minuten oder ganz konkret: «Der Arbeitsweg gilt als Arbeitszeit».
Dort, wo die Arbeitnehmer grosse Eigenverantwortung haben und insbesondere Ziele erreichen müssen oder wo die Arbeitnehmer verschiedene Einsatzorte haben, mache eine solche Regelung Sinn, sagt Facincani.
Doch der Anwalt betont auch: «Führung und Koordination werden schwieriger.» Man sehe sich weniger, weil die Zeit, in der alle da sind, abnimmt. «So muss besser koordiniert werden. Das führt wohl zu klareren Zielvorgaben.»