Schweizer Wirtschaft sucht verzweifelt nach Personal
Der Schweizer Wirtschaft geht allmählich das Personal aus. Immer mehr Branchen können wegen fehlender Arbeitskräfte ihre Nachfrage nicht mehr decken.
Das Wichtigste in Kürze
- Mitte Oktober waren in der Schweiz fast 230'000 Stellen unbesetzt.
- Viele Branchen werden deshalb der Nachfrage nicht mehr gerecht.
- Die Gründe für den akuten Personalmangel sind vielseitig.
Zehntausende unbesetzte Stellen, deutlicher Rückgang an Ausbildungsanfängern. Für die Schweizer Wirtschaft sind die Folgen der Corona-Pandemie noch immer akut – insbesondere was die Rekrutierung neuer Mitarbeiter betrifft.
«Es ist im Moment sehr schwierig, geeignete Fachkräfte zu finden», sagt Thomas Vogt zum «Tagesanzeiger». Der Hotelier des Valbella Resort in der Lenzerheide GR sucht seit Wochen vergebens nach Personal.
Zeitweise könne er sogar nur eines der beiden Hotelrestaurants öffnen, weil das Servicepersonal fehlt. Auch Reservierungen grosser Gruppen nimmt Vogt teilweise nicht mehr an. Und das, obschon die Nachfrage endlich wieder da wäre.
Personalmangel trotz hoher Arbeitslosenquote
Es ist eine Herausforderung, mit der sich aktuell die gesamte Schweizer Wirtschaft konfrontiert sieht: Die Nachfrage stimmt, aber das Personal fehlt. So zählte die Schweiz Mitte Oktober fast 230'000 unbesetzte Jobs. Das ist ein Viertel mehr als noch vor einem Jahr, und ein Zehntel mehr als vor zwei Jahren.
Besonders brisant an dieser Entwicklung: Nicht nur die offenen Stellen nehmen zu, auch die Arbeitslosenquote. Lag sie Ende September 2019 noch bei 2,1 Prozent, waren es zwei Jahre später bereits 2,6 Prozent.
Ein Missstand, den Thomas Vogt wie folgt erklärt: «Für die Jungen wird die Work-Life-Balance immer wichtiger. Viele wollen nur noch 60 oder 80 Prozent arbeiten und dann freihaben, wenn ihr Umfeld ebenfalls freihat.» Doch gerade in der Gastronomie, aber auch in anderen Branchen wie etwa dem Gesundheitswesen, wären solche flexiblen Arbeitszeiten nicht realisierbar.
Personal ist in allen Branchen gleichzeitig gefragt
Michael Siegenthaler von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich begründet den akuten Personalmangel allerdings anders: «Normalerweise unterscheiden sich Länder und Branchen ein wenig darin, ob sie gerade intensiv wuchsen und Personal nachfragten.» Wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockerungen fände dies nun aber überall gleichzeitig statt.
Wie lange der Personalmangel in der Schweizer Wirtschaft anhält, ist nur schwer absehbar. Thomas Vogt vom Valbella Resort begibt sich deshalb aktiv auf die Suche nach ausländischem Personal. So ringt er etwa um Saisonarbeitskräfte auf Mallorca.